|  | Die Osterköpfe
  Lange bevor der Stern von Bethlehem erstrahlte, brannten hier heilige
      Feuer. Donnernd und prasselnd rollten lodernde Feuerrder zu Tal, den
      Frühling verkündend und die Herrschaft der milden Göttin Ostara.
 
  Die Frühlingsgöttin Ostara genoss bei den Cheruskern besonderes Ansehen,
      wie die zahlreichen, nach ihr benannten Kultsttten im ehemaligen
      Cheruskerland beweisen. Wir dürfen daher getrost annehmen, dass die
      Osterköpfe und das anschließende Osterholz ihre Namen aus cheruslascher
      Zeit bis heute herübergerettet haben.
 
  Die Lage des Berges bot sich geradezu an für den germanischen
      Götterkult, der im Harzvorland seine Kultsttten hatte. Ja, der gesamte
      Höhenzug bis hin nach Nauen scheint germanisches Kultgebiet gewesen zu
      sein, denn sowohl die Namen Düstere Grund, Schreckenberg, Muxol (1654
      Muckshoi, 1710 Mucks Hohl) und Eidechsengrund wirken verdchtig.
 
  Nach der Christianisierung unserer Gegend wurden die heidnischen
      Kultsttten verteufelt und bekamen „schreckliche" Namen. Lediglich
      die Stellen, an denen das Heidentum die Ostara verehrte, wurden nunmehr
      zum Abbrennen des christlichen Osterfeuers benutzt und behielten so ihre
      Narnen. Auch der südlich der Osterköpfe auf der anderen Talseite
      liegende Hillenkopf mit seinen bronzezeitlichen Grbern blieb ein „heiliger
      Berg".
 
  Das Ende der heidnischen Götterdmmerung bahnte sich an, als Pippin der
      Kurze durch unser Gebiet zog, Karl der Große vernichtete mit Feuer und
      Schwert den germanischen Götterglauben. Wieder brannten Feuer auf den
      Osterköpfen. Flammensignale verkündeten den letzten Verteidigern der
      altgermanischen Freiheit, die den Harz zu ihrem Bollwerk gemacht hatten,
      das Herannahen des Feindes und wurden von den Randbergen des Harzes, der
      Lageswarte, der Hohen Leuchte und dem Bakenberg erwidert und
      weitergegeben. Doch das Christentum setzte sich durch, und die Feuer, die
      jahrhundertelang zu Ehren der lichten Frühlingsgöttin aufgelodert waren,
      wurden jetzt zu Ehren des christlichen Osterfestes angezündet. Die
      Menschen um den Berg wurden treue Dienstrnannen der schsischen und
      salischen Kaiser, und spter blickten die Osterköpfe auf Untertanen der
      Weifenherzöge herab. Im Jahre 1548 bewirtschafteten Hahuser Bauern „Herrn
      Land für den Oster Koppen". Dann kam die Schlacht bei Lutter am
      Barenberge, die sich zu Füßen der Osterköpfe abspielte. An deren Rande
      war eine Batterie des Dnenkönigs eingegraben und nahm die angreifenden
      Kaiserlichen unter Feuer. Noch vor einigen Jahren waren die Erdaufwürfe
      zu erkennen.
 
  Als Conrad Buno 1652 seine Zeichnung vom Fürstlichen Amtshaus Lutter am
      Barenberge anfertigte, vergaß er auch die Osterköpfe nicht, die er „Am
      Osterkop" bezeichnete.
 
  Wieder vergingen Jahrhunderte. Schon lngst brannten - wegen der
      Forstwirtschaft - keine Osterfeuer mehr auf den Osterköpfen. Die wurden
      jetzt auf kleineren Kuppen im Tal abgebrannt. 1833 errichtete man jedoch
      auf der Höhe unseres Berges eine Station der nach Claude Chappe's
      Erfindung eingerichteten
 
   Chronik, Seite 177
 
  Armtelegraphenlinie Berlin-Koblenz, von
      wo die Depeschen nach den Stationen bei Liebenburg (23) und Naensen (25)
      weiterbefördert wurden. Auf den Osterköpfen befand sich die Station 24.
      Da die Visierlinie zwischen den Stationen 24 und 25 mit rund drei Meilen
      (mehr als 20 km) sehr lang war, entschloss man sich relativ spt, nmlich
      erst im Jahre 1842, zum Bau einer zusätzlichen Zwischenstation (24a) bei
      Altgandersheim.
 
  Nach dem Streckenplan von 1835 bestand die Telegraphenlinie aus 61
      Stationen. Diese Stationen waren alle nach einem gleichen Schema gebaut.
      So befand sich auch auf den Osterköpfen ein für zwei Familien
      aufgeteiltes Wohnhaus mit Schuppen, das 1843 noch einen Anbau erhielt.
      Daneben stand der mehrstöckige Turm, auf dem sich die Beobachtungsstation
      befand. Aus dem Turm ragte ein Mastbaum mit drei Flügelpaaren
      (Indikatoren) nach oben, der das wichtigste Requisit der
      Armtelegraphenstation war. Sechs Flügel, paarweise auf beiden Seiten des
      Mastbaumes angeordnet, dienten zu der optischen Zeichengebung nach einem
      Chiffriercode. Es waren insgesamt 4095 Zeichen möglich. Die
      Nachrichtenübermittlung ging so vor sich, dass der Obertelegraphist
      unentwegt mit einem Fernrohr die Station bei Liebenburg beobachtete. Er
      sagte dem Untertelegraphisten die Zeichen an, ohne eine Kenntnis von dem
      Code zu haben. Dieser gab sie dann nach Naensen bzw. spter nach
      Altgandersheim weiter.
 
  Über die Station auf den Osterköpfen ist ein zeitgenössischer Bericht
      vorhanden, der nachstehend wiedergegeben werden soll: „Auf dem Osterkopf
      bei Hahausen lag die Station Nr. 24. Auf der südlichsten Kuppe eines
      schmalen Bergrückens, dem Osterkopf, nördlich des Dorfes Hahausen,
      bestimmte der Major im preußischen Generalstab O'Etzel den Punkt für
      diese Station. Um den Signalmast besser beobachten zu können, musste eine
      12-bis 15jhrige Schonung teilweise gerodet und zwei Durchsichten gehauen
      werden. Die hierfür gerodete Fläche betrug sieben Waldmorgen. Das so
      frei geschlagene Land war zum Ackerbau geeignet und wurde verpachtet. Als
      Pchter fanden sich der Obertelegraphist Böttcher und der
      Untertelegraphist Menzel. Das Grundstück für die Station betrug 40
      Quadratruten (etwa 570 qm). Die Baukosten für das aus Fachwerk errichtete
      Gebude beliefen sich auf 2355 Taler. Neben einem zweistöckigen Turm und
      einem Holzstall bestand das Wohngebude selbst aus vier Stuben, zwei
      Kammern, zwei Küchen und zwei Kellern."
 
  Die Telegraphenlinie befand sich in preußischem Besitz und unterstand
      ursprünglich dem Kriegsministerium. Es wurden nur staatliche Depeschen
      befördert. Zur Anlage von 5 Stationen auf braunschweigischem Gebiet -
      darunter die auf den Osterköpfen -musste ein entsprechender Staatsvertrag
      zwischen Braunschweig und Preußen abgeschlossen werden.Am23.3.1849 war
      die Telegraphenlinie bereits in den Zustndigkeitsbereich des
      Ministeriums für Handel,  Gewerbe und öffentliche Arbeiten
      übergegangen. Nachdem am 1.6.1849 die elektromagnetische Linie zwischen
      Berlin und Köln eingerichtet worden war, konnte die Armtelegraphenlinie
      aufgegeben werden. Im Jahre 1850 wurde die Station 24 auf Abbruch
      verkauft. Der Kufer erhielt die Auflage, das Gebäude innerhalb von zwei
      Monaten abzureißen. Den Grund und Boden erhielt die Direktion der Forsten
      und Jagden zurück. Das Ackerland
 
   Chronik, Seite 178
 
   sollen Hahuser Einwohner übernommen haben. Heute ist von den
      Anlagen auf den Osterköpfen nichts mehr zu sehen, es sollen jedoch noch
      Mauerreste aufgefunden worden sein. Doch lange noch hielt sich die
      Bezeichnung „Telegraph" für die Höhe der Osterköpfe bei den
      Einwohnern von Hahausen. Die Osterköpfe sind die „Hausberge" von
      Hahausen. Wenn man, von Neuekrug kommend, den Ort betritt, erkennt man
      sogleich ihre eindrucksvolle, beherrschende Lage. Über Jahrtausende
      hinweg, bis in die Entstehungszeit unserer Erde, haben sie für Sammler
      und Forscher eine besondere Bedeutung. So sind in den Heimatmuseen der
      Umgebung Zahlreiche Fundstücke, besonders aus der Zeit, als hier das Meer
      zurückging, als Fossilienfunde zusammengetragen worden. Der
      Kalksteinaufbau der Osterköpfe enthält Fossilien von Triboliten,
      hartschaligen Gliedertieren der warmen Ur-Ozeane, was auf ein Alter von 50
      Millionen Jahren schließen lässt. Funde von Mammutknochen aus dem
      Zeitalter des Pleistozän oder Diluvium (etwa 600 000 v. Chr.) und Teilen
      des Schuppenbaumes (Lipipodendron) aus dem Zeitalter des Karbon (vor etwa
      250 Millionen Jahren) sowie der Fund des Schädels eines Höhlenbären
      lassen auf eine reiche Flora und Fauna in unserer Gegend während der
      Frühzeit der Erde schließen.
 
  Die Osterköpfe - was haben sie im Laufe der Geschichte alles gesehen:
      Krieg und Frieden, ruhige und böse Zeiten, kultische Feste und Mord und
      Totschlag. Als Kinder und Jugendliche sausten wir im Winter mit unseren
      Skiern den steilen Abhang hinunter. Meist ging es gut, doch leider kam es
      auch manchmal zu bösen Unfällen. Im Sommer hatten wir dort unsere „Burgen"
      in Dickichten oder in Baumwipfeln oder zogen in den „Krieg" gegen
      die Jugend des Nachbarortes Nauen. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg wurde
      dort Damwild ausgesetzt. Es war so zahm, dass es uns aus der Hand fraß.
      Schließlich hatte es auch allen Grund, zutraulich zu sein, denn die
      große Zeit der Wilderer war vorbei. Nur manchmal fanden wir Jungen beim
      Spielen in Schuppen und Ställen, hinter Gerumpel versteckt, alte
      Vorderlader, „Kaufleute = Kuhfüße" genannt, mit denen einst die
      Wilderer ihrem dunklen Gewerbe nachgegangen waren. Von der Höhe der
      Osterköpfe hat man einen herrlichen Ausblick auf die Harzberge, über die
      ganze Ebene von Lutter, bis nach Langeisheim und fast bis nach Goslar. Ein
      lohnendes Ziel für Wanderer. Doch leider ist der Ausblick in neuester
      Zeit durch den hohen Baumbestand erheblich gestört.
 
  Chronik, Seite 179
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