|  | Die "Kalte Birke"
  Die Stelle, der Platz, die Örtlichkeit, der
      ehemalige Hagen oder das ehemalige Jägerhaus, Jagdhaus oder Forstgehöft,
      nicht jedoch der Forstort1} „Kalte Birke" liegt im Jagen
      48 des Forstamts Lautenthal, dicht am Schnittpunkt der Verbindungswege
      Lautenthal - Hahausen und Langelsheim - Seesen, oberhalb der Granequelle,
      am östlichen Abhang des Hohen Steins (571,6 Meter) und westlich des
      Innerste-Stausees.
 
  Die Stelle befindet sich im nordwestlichen Teil des alten
      Innerste-Rennsteigs, der sich aus der Gegend von Buntenbock, immer
      parallel zur Innerste, bis zum Harzrand bei Neuekrug hinzieht.
 
  Die Gegend um die „Kalte Birke" ist ältestes geschichtliches
      Gebiet. Schon der verstorbene Harzburger Kurdirektor Rokam 2) deutete die in der Nähe der „Kalten Birke" befindlichen
      Plätze Lageswarte, Hoheleuchte, Fierpass (Füerpaß) und Bakenberg
      3) als
      älteste Signalstätten. Der in der Nähe befindliche Schwarze Berg sowie
      der Teufelsberg stellen Verbindungspunkte zur Heidenzeit dar. Nach der
      Gaueinteilung Karls des Großen vom Jahre 780 befindet sich die Stelle
      oder der Platz hart an der Grenze von Ambergau und Wenzigau, wird jedoch
      noch zu ersterem gerechnet. Die Grenze des Ambergaus verläuft nach
      Günther 4) an der Wasserscheide zwischen Nette und Innerste.
      Wann die „Kalte Birke" zum ersten Male von Menschen bewohnt wurde
      und seit wann sie eine, wie auch immer geartete Bedeutung hatte, wissen
      wir nicht. Auch, wie der seltsame Name zustande gekommen ist, bleibt bis
      heute ein ungelöstes Rätsel.
 
  Das Gebiet um die „Kalte Birke" kam im Jahre 974 als Zubehör
      des Königshofes Seesen als Geschenk Kaiser Ottos II. an die Äbtissin von
      Ganders-heim 5). Die erste urkundliche Erwähnung der „Kalten
      Birke" erfolgte im Jahre 1350 mit der niederdeutschen Bezeichnung „an
      de Koldenberken" 6). Durch diese Urkunde erfahren wir von
      der Forstgrenze, die an dem „Renstich" entlang lief bis zum „Scharenkrutze"
      (oberhalb des Kreuzbacher Teiches) und noch weiter. Es heißt dann auch:
      „. . . an de Koldenberken unde vort wente an den Bakenberch, dar de
      Renstich nedder gheit."
 
  Durch einen Brief vom Jahre 1391 7) wissen wir von einem
      Treffen zwischen Propst Conrad zu St. Cyriakusberg vor Braunschweig und
      seinem „sundere gude vrunt", nämlich Hans von Kissenbrück, dem
      Bürgermeister von Goslar „uppe de Kolden berken". Der Propst
      bittet in diesem Brief den Bürgermeister um
 
  1) „Eine Forstortsbezeichnung
      Kalte Birke ist auf keiner Karte zu finden." Mitteilung des Nieders.
      Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes in Braunschweig-Riddagshausen vom
      9. 9.1971
 2) Spier, H.: Zur Geschichte der Burg Schildberg bei Seesen. In: „Beiträge
      zur Geschichte der Stadt Goslar", Heft 13, Goslar 1952, S. 32
 3) Bake = Name für Feuerzeichen, jetzt in der „Leuchtbake" wieder
      zu Ehren gekommen
 4) Günther, F.: Der Ambergau, Hannover 1887, S. 4
 5) Leuckfeld, J. G.: Antiquitates Gandersheimenses, Wolfenbüttel 1709, S.
      104 und 105; MGH, Bd. 2, l Teil, DO II. 36
 6) Goslarer Urkundenbuch, Band IV., Nr. 409
 7) Goslarer Urkundenbuch, Band V., Nr. 864
 
  Chronik, Seite 182
 
  Mitteilung von Tag und Stunde, „alze wy dar to
      dem Hagen myd eynander afreden umme den lantfrede . . .". Außerdem
      wollte der Propst dort eine Unterschrift leisten. „. . . unde dar wil ek
      niyne scrift bybringhen." Aus diesem Schreiben ist zu ersehen, dass
      sich im 14. Jahrhundert an der „Kalten Birke" ein Hagen, also ein
      mit einer Hecke, evtl. auch mit Palisaden oder einem Wall umfriedeter
      Platz befunden haben muss. Dass gerade diese Stelle zu Verhandlungen und
      Beurkundungen ausersehen wurde, läßt jedoch nicht nur auf einen „Hagen",
      sondern auch auf feste Gebäude schließen. Schließlich kamen beide
      Verhandlungspartner nicht allein. Der Propst kündigte an: „ . . . unde
      ek wolde eynen mynes heren aniptlude myd my bringen". Außerdem
      wurden beide von einem mehr oder minder starken Gefolge begleitet.
 
  Worin die Bedeutung des „Hagen" auf der „Kalten Birke", in
      welcher Form er sich auch dargestellt haben mag, im Jahre 1391 bestanden
      hat, wissen wir nicht. Jedenfalls kann dieser nicht mehr zum Schutz der
      umliegenden Bergwerksanlagen gedient haben, die vom „Alten Mann"
      bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts abgebaut und dann wegen der Pest und
      technischer Schwierigkeiten zum Erliegen gekommen sind.
 
  In einer Grenzbeschreibung der dem Kloster Neuwerk gehörenden Waldungen
      vom Jahre 1475 1) führt die Grenze vom Innerstetal hinauf zum
      Rennstieg „. . . . und over de Koldenberch vort to den Hogensteinen
      wente over de Neyle". Von dort geht die Forstgrenze weiter über den
      Frederickshop und die Glashütte (beim heutigen Neuekrug) und auf den
      Steinbek (Steimkerbach). Den heute nicht mehr festzustellenden
      Frederickshop sucht Professor Denker 2) in der Gegend von
      Lageswarte und Lindtalskopf.
 
  Die „Kalte Birke" wird im Jahre 1511 und dann wieder 1518 erwähnt,
      als der Vogt von Seesen 3 Groschen dem Manne von „Bornhüsin"
      (Bornhausen) zahlte, der „dath Wildbrath fand an der Kalden Birkin"
      3)|. Auch wenn der Bergbaubetrieb des Alten Mannes
      in der Gegend um die „Kalte Birke" um 1350 sein Ende gefunden hat,
      so scheint er zumindest um 1520 wiederaufgenommen worden zu sein, wie aus
      einem Register aus dieser Zeit zu ersehen ist  4).
 
  So ist es auch nicht verwunderlich, wenn im Jahre 1546 der bekannte
      Humanist Dr. Georgius Agricola (1494 -1555) im 5. Buch seines Werkes über
      die Mineralien „De natura fossilium" eine Ortlichkeit „Kalte
      Birke" irn Harz erwähnt 5). Uns interessiert besonders
      die hier gebrauchte lateinische Bezeichnung „frigida betula" für
      „Kalte Birke". Die deutsche Übersetzung „Kaltenbirk", die
      der 1968 verstorbene Übersetzer Dr. Fraustadt im Jahre 1958 benutzte, ist
      nicht glücklich
 
  1) Goslarer Urkundenbuch, Band
      IV., Nr. 526, hier jedoch unter 1355 angeführt. Diese Jahreszahl ist nach
      Denker falsch
 2) Denker, H.: Der Waldbesitz des Klosters Neuwerk im Oberharz nach den
      alten Urkunden. In: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und
      Altertumskunde, Jg. 51 (1918), S.22-27
 3) St. A. Wob. 22 A Alt 1535-1544
 4) Denker, a. a. O., S. 29
 5) Horst, Ulrich: Ein alter Eisenerzfundpunkt unweit des Forstorts „Kalte
      Birke" im Nordharz, ein Beitrag zur AGRICOLA-Forschung." In:
      Harz-Zeitschrift, 31. Jg. (1979), S.
      119-126
 
  Chronik, Seite 183
 
  gewählt 1) und braucht uns auch nicht weiter zu
      beschäftigen, da der Übersetzer keine Beziehungen zum Harz hatte. Auch
      Agricola, der eigentlich Bauer hieß, hat den Harz nicht gekannt. So gibt
      er die Entfernung von der „Kalten Birke" nach Goslar mit 4 Meilen
      (6,0 km) an. Agricola nennt die „Kalte Birke" im Zusammenhang mit
      den dort vorkommenden Eisenerzen Haematites und Schistos. Diese von ihm
      beschriebenen Eisenerze sind ihm aller Wahrscheinlichkeit nach von anderen
      Sammlern angeliefert worden 2). Bemerkenswert ist, dass
      Agricola von dem Berge „frigida betula" schreibt, den sie, die
      Einheimischen, „jedoch mit ihrer Bezeichnung", also deutsch bzw.
      niederdeutsch, „ nennen; wir werden ihn Goslarer nennen." 3).
 
  Die Bezeichnung „Goslarer" für die „Kalte Birke" hat sich
      jedoch nicht durchgesetzt und wurde von Agricola, der die Gegend nicht
      kannte, entweder nur recht oberflächlich gewählt oder sie sollte ein
      Kompliment für die Stadt Goslar sein, bei deren Rat er sich wohl ins
      rechte Licht setzen wollte. Wir erfahren hier wiederum vom Bergbau und den
      im Gebiet um die „Kalte Birke" gewonnenen Eisenerzen.
 
  So schreibt Ulrich Horst 4): „Südlich der früheren
      Haltestelle Lindthal, wo die Innerste aus der südlichen in die
      nordöstliche Richtung abbiegt, scharen sich zwei nachgewiesene und
      mehrere in der Fortsetzung vermutete Erzgänge aus den karbonischen
      Grauwacken und Tonschiefern der Nordwestecke des Harzes in herzynischer
      Streichrichtung. Einige Aufschlüsse der nahezu senkrecht einfallenden
      Gänge sind am Steilhang beim rechten Innersteufer gut zu
      beobachten." Diese Erzgänge beschrieben u. a. schon Hassel und Berge
      5), wobei sie sich auf Otto Siegmund Lasius und dessen
      Topopetrographische Karte des Harzgebietes von 1789 bezogen. Es heißt
      dort; „Das Gegental, unterhalb der kalten Birke, in der ehemaligen
      Langelsheimer Forst. Hier werden ebenfalls einige Eisensteingruben mit
      Vorteile betrieben."
 
  Die Erzgänge setzen sich auch auf der Westseite des Gebirgskammes fort;
      so wurde noch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts am Bakenberg
      bei Neuekrug, also auch in der Nähe der „Kalten Birke"
      Eisenerzbergbau betrieben, wovon noch heute der Eisensteinsweg und ein
      offener, ausgemauerter Grubenschacht am ehemaligen Zechenhaus zeugt. Der
      Bergbau am Ostabfall dauerte bis in die Zeit zwischen den beiden
      Weltkriegen.
 
  Welchen Zwecken die Stelle, der Platz, die Siedlung oder der Hagen „Kalte
      Birke" ursprünglich gedient hat; ob der Wegesicherung, dem Bergbau,
      forstwirtschaftlichen oder jagdlichen Zwecken, wissen wir nicht. Nach dem
      Hauptteilungsrezess vom 14. 12. 1635 über den sogenannten Kommunionharz
      wurde die hohe und niedere Jagd im gesamten Kommunionharz dem Herzogtum
      Braunschweig-Wolfenbüttel zugesprochen. Aus diesem Grunde
 
  1) Horst, a. a. O., S. 119-120
 2) Horst, a. a. O., S. 120-121
 3) Horst, a. a. O., S. 121-122
 4) Horst, a. a. O., S. 121-122
 5) Hassel und Bege: Geographisch-statistische Beschreibung der
      Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg, Braunschweig 1802, Band II.,
      S. 397/98
 
  Chronik, Seite 184
 unterstand das Jägerhaus auffder kalten
      Birke" 1) zunächst dem Forstamt in Lutter am Barenberge,
      von 1676/78 an dem Förster in Hahausen. 1642/43 ist die Stelle in einer
      Karte des Amtes Seesen als „Koldebercke" enthalten.
  Wie das
      Jägerhaus an der „Kalten Birke" aussah und wann es errichtet
      wurde, ist nicht bekannt, doch hatte der Holzhauer Andreas Hoffmeister aus
      Hahausen bei demselben bereits Ende des 17. Jahrhunderts 2) ein
      einfaches Wohnhaus erbaut. Nach dem Kirchenbuch der Pfarrgemeinde Lutter
      am Barenberge 3) ließ „Andreas Hoffmeister zur Kalten
      Birke" 1692, 1694 und 1696 einen Sohn in Hahausen taufen. Im Jahre
      1702 ließ Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel anstelle
      des alten das neue Jagdhaus „zur Kalten Birke" erbauen, wohin als
      erster Bewohner der Jagdzeugmeister Heinrich Meyer aus Hahausen versetzt
      wurde. 1748 wurde der Jagdzeugmeister und Grenzschütze Bartlingk „zur
      Kalten Birke" auf dem Friedhof zu Hahausen beerdigt, während sich
      1750 der Grenzschütze Gebhard Siemens „zur Kalten Birke" mit
      Dorothea Magdalena Futtermenger aus Seesen in Hahausen aufbieten ließ,
      worauf er in Seesen getraut wurde. „Monsieur Gebhard Siemens, Fürstlich
      Braunschweigischer Lüneburgischer Jäger zur Kalten Birke und Jungfrau
      Dorothea Magdalena Futtermenger aus Seesum wurden am 24. November in
      Seesum getraut." Im Jahre 1774 hatte die „Kalte Birke" 6
      Bewohner, die dem Amt Lutter unterstanden 4).
 
  Wenn auch m die Karte der Historischen Kommission für Niedersachsen 5)
      eine Försterei „Kalte Birke" eingetragen ist, so hat es
      dennoch an der hier behandelten Stelle nie eine Försterei gegeben. Wir
      können uns da eher auf die Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme von
      1784 verlassen, die ein Jaeger-Haus zur Kalten Bircke" verzeichnet 6)
 
  Im Jahre 1788 erfolgte die Aufteilung des Kommunionharzes,
      wodurch die „Kalte Birke" unter churbraunschweigische, d. h.
      hannoversche Herrschaft gelangte. Nach der Grenzfestlegung im Jahre 1788
      wurde die Grenze in den Harzforsten zwischen 1788 und 1790 versteint. Die
      damals gesetzten Grenzsteine am Rennstieg stehen größtenteils noch heute
      und sind immer wechselnd, an beiden Seiten des Weges gesetzt. Die Grenze
      zur „Kalten Birke" bildete das braunschweig - wolfenbüttelsche Amt
      Seesen. Die Grenzsteine wurden daher vom Beginn des Amtsbezirks bis zur
      Nordseite des Lindthalkopfes mit den Nummern l - 269 versehen, die jeweils
      auf der braunschweigischen Seite unter einem S für Seesen angebracht
      sind. Auf der hannoverschen Seite befindet sich eine Wolfsangel. An der
      „Kalten Birke" steht ein Stein mit der Nummer 195. Nach dem
      Brandkataster vom Jahre 1792 gehörten zu dem Haus auf der „Kalten
      Birke" ein Stall, eine Remise, Kuhstall und das Backhaus.
 
  1) Groscurt, H.: Abriß der
      Langelsheimischen und Astfeldischen Forsten, 1678
 2) St. A. Wob. 26 Alt 1998 (1693)
 3) (Gagelmann, W.): Heirnatbuch der Pfarrgemeinde Lutter a.
      Bbge.,Luttera.B. 1926, S. 37
 4) St.A.Wob.Ldsch.B1229
 5) Veröffentlichung der Historischen Kommission für Niedersachsen 1746 -
      1784 Blatt 4027,1961
 6) Frdl. Mitteilung des Nieders. Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes
      in Braun-schweig-Riddagshausen vom 9. 9.1971
 
  Chronik, Seite 185
 
      1794 finden wir den Jagdzeugmeister Walter „zur Kalten Birke" unter
      den Abendmahlsgästen in Hahausen verzeichnet. Von seinen Schwestern wurde
      eine in Seesen, eine andere in Lautenthal getraut. Sein Kuhhirt wurde in
      Hahausen beerdigt. Bis um 1800 gehörte das Jagdhaus zur Pfarrgemeinde
      Lutter am Barenberge.
  Die „Kalte Birke" wurde nicht nur im Jahre 1802 mehrmals von Hassel
      und Bege, sondern auch 1806 von Gottschalck " erwähnt: „Kaltebirke,
      ein Jagdhaus auf dem Teufelsberge im herzoglich Braunschweigischen Amte
      Staufenburg, worin ein herrschaftlicher Forstbedienter wohnt. Von
      Lautenthal ist es 5/4 St. entfernt.,,
 
  Von 1807 - 1813, in der westfälischen Zeit, gehörte die „Kalte
      Birke" zum Kanton Zellerfeld im Distrikt Osterode und hatte 1812 19
      Einwohner, 1814 -1825 gehörte sie zum Kreisgericht Harzburg. Es lässt
      sich daraus ersehen, dass die braunschweigischen Jagdrechte im Gebiet um
      die „Kalte Birke" bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestanden.
 
  Im Jahre 1828 wurde das Jagdhaus auf der „Kalten Birke" auf Abbruch
      verkauft und von einem Seesener Einwohner „hinter der Kirche"
      wiederaufgebaut, wo es jetzt noch steht 2). Wenn in eine
      Forstkarte vom Jahre 1840 3) ein Gebäude mit der Bezeichnung
      „Kaltebirke" in den „Königl-Hannover: Forsten"
      eingezeichnet ist, so kann dies nicht stimmen.
 
  In die Übersichtskarte vom Forstamt Seesen vom Jahre 1968 ist der
      Name „Kalte Birke" im Gebiet des F. A. B. Lautenthal zur
      Orientierung aufgenommen 4), desgleichen in die Wanderkarte des
      Harzes wie in die Topographische Karte 4027 Lutter am Barenberge von 1969.
 
  Im Sommer 1969 wurde vom Harzklub Seesen an der hier behandelten Stelle
      eine Hütte erbaut, die Wanderern Schutz und Obdach bei schlechtem Wetter
      gewähren soll. Im Innern der 4,50 m langen und 2,10 m breiten
      Schutzhütte wurden einige Bänke aufgestellt.
 
  Der Platz oder die Stelle „Kalte Birke" wird, außer von der
      genannten Hütte, nur noch durch Mauerreste, die Stelle des ehemaligen
      Brunnens und die mit einem Schild „Kalte Birke" versehene Esche
      verkörpert, die auf der Forstgrundkarte 1971 grün eingezeichnet ist.
 
  Über die Entstehung und Bedeutung des seltsamen Namens „Kalte
      Birke" wurden wiederholt Überlegungen angestellt, desgleichen über
      die Bedeutung des Platzes als solchem. Auch in der Frage, ob an der „Kalten
      Birke" ein Weg, eine Straße oder nur ein „Stieg" vorbeigeführt
      hat, gehen die Meinungen auseinander.
 
  1) Gottschalck, Friedrich:
      Taschenbuch für Reisende in den Harz, Magdeburg 1806, S. 260
 2) Hartmann, W.: Häuserbuch der Stadt Seesen, Seesen 1971, S. 345 - 346
 3) Frdl. Mitteilung des Nieders. Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes
      in Braun-schweig-Riddagshausen vom 9. 9.1971
 4) Übersichtskarte vom Forstamt Seesen. Angefertigt im F. E. V. A. 1968
 
  Chronik, Seite 186
 
  Bleiben wir zunächst bei dem Namen. Dazu muss gesagt werden, dass
      die Überlegungen, die bisher zu dessen Deutung angestellt wurden, ohne
      konkretes Ergebnis blieben. Auch Dr. Werner Flechsig, der wohl beste
      Kenner der ostfälischen Mundart, kann sich die Bezeichnung „Kalte
      Birke" nicht befriedigend erklären 1). Nach Dr. Flechsig
      kommen Flurnamen, die mit dem Eigenschaftswort „kalt"
      zusammengesetzt sind, nur selten vor. Dagegen sei die Bezeichnung eines
      Baumes als „kalt" völlig rätselhaft. Von Bedeutung ist jedoch die
      Feststellung von Dr. Flechsig, dass man nicht daran zweifeln könne, dass
      die verhochdeutschte Form „kalt" dem spätmittelalterlichen Beleg
      von etwa 1350 genau entspräche.
 
  In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass in den siebziger Jahren in
      der Lokalpresse der Harzstadt Seesen die verschiedenartigsten
      Deutungsversuche für den Namen „Kalte Birke" gemacht wurden. So
      kam man vom „Koldeberg" zum „Kalten Berg" und vom „Köhlerberg"
      zur „Koole Beeke" = „Kalter Bach". Auch eine „alte
      Birke" wollte man erkennen wie einen „Holden Berg" — „schwarzer
      Berg".
 
  Zur Erklärung der Bezeichnung „Kalte Birke" sind nur Vermutungen
      möglich. Man muss davon ausgehen, dass dort einst eine gut sichtbare
      Birke gestanden hat. Diese wohl allein stehende Birke 2) wurde
      dann zum Merkmal eines kalten Gebietes.
 
  Dass die Stelle oder der Platz „Kalte Birke" im Mittelalter eine
      besondere Bedeutung gehabt hat, ist aus dem vorliegenden Urkundenmaterial
      zu ersehen. Es wäre sonst wohl kaum zu erklären, warum sich ein Propst
      aus Braunschweig und der Bürgermeister von Goslar gerade an dieser Stelle
      verabredet hätten. Welcher Art jedoch die Bedeutung war und seit wann
      feste Gebäude vorhanden waren, muss noch untersucht werden.
 
  Anzunehmen ist, dass die „Kalte Birke" im Mittelalter als Zentrale
      eines Bergbaugebietes anzusprechen ist, die jedoch auch Bedeutung als
      Weghaus hatte. Schon in sehr früher Zeit führte ein Weg, der sogenannte
      Goslarsche Stieg, über die „Kalte Birke", der von H. Spier3) als
      Fernverkehrsweg angesprochen wurde. Einen „Harzweg" von Seesen nach
      der „Kalten Birke" gab es 1463, an ihm stand ein Wegkreuz, das „cruce
      na der Kolden Berken"4).
 
  Die Hypothese von Spier wird von Dr. Rippel 5)abgelehnt. Nach
      Dr. Rippel sind die von diesem untersuchten Hohlwege an der „Kalten
      Birke" in ihrer Ausprägung bestechend. Doch wurden verschiedene
      Beobachtungen gemacht, welche die Annahme einer durchgehenden
      gebräuchlichen Verbindung als sehr unglaubwürdig erscheinen lassen. Es
      wurde von Dr. Rippel festgestellt, dass sich die Hohlwege im Wald immer
      wieder verzweigen und ihre Zahl und Tiefe mit der Entfernung von Seesen
      merklich abnimmt. Oberhalb des Taternberges ist
 
  1) Horst, a. a. O., S. 124
 2) Wegen des Vorkommens der Birke im Harz, Insbesondere in höheren Lagen
      siehe Horst, a. a. O., S. 123 - 124
 3) Spier, a. a. O., S. 32
 4) St. A. Wob. 22 A Alt 1541B1.110 v.
 5) Rippel, J. K.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft am nordwestlichen
      Harzrand, Hannover 1958
 
  Chronik, Seite 187
 
  nur noch ein gering eingetiefter Hohlweg wenige Meter nordöstlich der
      Forstdiensthütte vorhanden. Er verliert sich zur „Kalten Birke",
      der Wasserscheide zwischen Schildau und Innerste, vollends.
 
  Nach Dr. Rippel handelt es sich hier um ein Netz sich verästelnder
      Holzabfuhrwege, wie es in der Nähe einer Stadt (Seesen) mit einem hohen
      Brenn- und Bauholzbedarf nicht anders zu erwarten ist. Jenseits der
      Wasserscheide beginnt im Innerstetal ein eigenes Hohlwegsystem, welches
      aus verschiedenen Richtungen von der „Kalten Birke" und aus dem
      Gegental kommend, konzentrisch an der an der Innerstetalsperre
      festgestellten Schlackenstelle zusammenläuft. Diese Hohlwege bezeugen
      einen regen Holz- und Erztransport. Da auch das Mittelstück zwischen
      beiden Hohlwegsystemen unmittelbar auf der Wasserscheide an der „Kalten
      Birke" fehlt, kann hier lt. Dr. Rippel noch nicht von einem
      Fernverkehrssystem gesprochen werden.
 
  Von diesen Überlegungen unberührt bleibt die Bedeutung der „Kalten
      Birke" für den Fußgängerverkehr, welcher erfahrungsgemäß den
      absolut kürzeren Weg einschlägt und in der Zeit fehlender
      Personenverkehrsrnittel eine hohe Bedeutung besessen hat. Auch der
      Flurname „Goslarer Stieg" dürfte seine Bedeutung als Fußweg oder
      Eselsstieg unterstreichen. Über diesen Eselsstieg trippelten
      jahrhundertelang Tragtierkolonnen mit Erzen des Rarnmelsberges zu den
      Hütten in der Nähe von Seesen. Ein „Fußsteig von Seesen über die
      Kalte Birken"ist in den Abriss von Groscurt vom Jahre 1678
      eingetragen.
 
  Chronik, Seite 188
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