DIE CHRONIK
von
HAHAUSEN

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Die "Kalte Birke"

Die Stelle, der Platz, die Örtlichkeit, der ehemalige Hagen oder das ehemalige Jägerhaus, Jagdhaus oder Forstgehöft, nicht jedoch der Forstort1} „Kalte Birke" liegt im Jagen 48 des Forstamts Lautenthal, dicht am Schnittpunkt der Verbindungswege Lautenthal - Hahausen und Langelsheim - Seesen, oberhalb der Granequelle, am östlichen Abhang des Hohen Steins (571,6 Meter) und westlich des Innerste-Stausees.

Die Stelle befindet sich im nordwestlichen Teil des alten Innerste-Rennsteigs, der sich aus der Gegend von Buntenbock, immer parallel zur Innerste, bis zum Harzrand bei Neuekrug hinzieht.

Die Gegend um die „Kalte Birke" ist ältestes geschichtliches Gebiet. Schon der verstorbene Harzburger Kurdirektor Rokam 2) deutete die in der Nähe der „Kalten Birke" befindlichen Plätze Lageswarte, Hoheleuchte, Fierpass (Füerpaß) und Bakenberg 3) als älteste Signalstätten. Der in der Nähe befindliche Schwarze Berg sowie der Teufelsberg stellen Verbindungspunkte zur Heidenzeit dar. Nach der Gaueinteilung Karls des Großen vom Jahre 780 befindet sich die Stelle oder der Platz hart an der Grenze von Ambergau und Wenzigau, wird jedoch noch zu ersterem gerechnet. Die Grenze des Ambergaus verläuft nach Günther 4) an der Wasserscheide zwischen Nette und Innerste. Wann die „Kalte Birke" zum ersten Male von Menschen bewohnt wurde und seit wann sie eine, wie auch immer geartete Bedeutung hatte, wissen wir nicht. Auch, wie der seltsame Name zustande gekommen ist, bleibt bis heute ein ungelöstes Rätsel.

Das Gebiet um die „Kalte Birke" kam im Jahre 974 als Zubehör des Königshofes Seesen als Geschenk Kaiser Ottos II. an die Äbtissin von Ganders-heim 5). Die erste urkundliche Erwähnung der „Kalten Birke" erfolgte im Jahre 1350 mit der niederdeutschen Bezeichnung „an de Koldenberken" 6). Durch diese Urkunde erfahren wir von der Forstgrenze, die an dem „Renstich" entlang lief bis zum „Scharenkrutze" (oberhalb des Kreuzbacher Teiches) und noch weiter. Es heißt dann auch: „. . . an de Koldenberken unde vort wente an den Bakenberch, dar de Renstich nedder gheit."

Durch einen Brief vom Jahre 1391 7) wissen wir von einem Treffen zwischen Propst Conrad zu St. Cyriakusberg vor Braunschweig und seinem „sundere gude vrunt", nämlich Hans von Kissenbrück, dem Bürgermeister von Goslar „uppe de Kolden berken". Der Propst bittet in diesem Brief den Bürgermeister um

1) „Eine Forstortsbezeichnung Kalte Birke ist auf keiner Karte zu finden." Mitteilung des Nieders. Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes in Braunschweig-Riddagshausen vom 9. 9.1971
2) Spier, H.: Zur Geschichte der Burg Schildberg bei Seesen. In: „Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar", Heft 13, Goslar 1952, S. 32
3) Bake = Name für Feuerzeichen, jetzt in der „Leuchtbake" wieder zu Ehren gekommen
4) Günther, F.: Der Ambergau, Hannover 1887, S. 4
5) Leuckfeld, J. G.: Antiquitates Gandersheimenses, Wolfenbüttel 1709, S. 104 und 105; MGH, Bd. 2, l Teil, DO II. 36
6) Goslarer Urkundenbuch, Band IV., Nr. 409
7) Goslarer Urkundenbuch, Band V., Nr. 864


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Mitteilung von Tag und Stunde, „alze wy dar to dem Hagen myd eynander afreden umme den lantfrede . . .". Außerdem wollte der Propst dort eine Unterschrift leisten. „. . . unde dar wil ek niyne scrift bybringhen." Aus diesem Schreiben ist zu ersehen, dass sich im 14. Jahrhundert an der „Kalten Birke" ein Hagen, also ein mit einer Hecke, evtl. auch mit Palisaden oder einem Wall umfriedeter Platz befunden haben muss. Dass gerade diese Stelle zu Verhandlungen und Beurkundungen ausersehen wurde, läßt jedoch nicht nur auf einen „Hagen", sondern auch auf feste Gebäude schließen. Schließlich kamen beide Verhandlungspartner nicht allein. Der Propst kündigte an: „ . . . unde ek wolde eynen mynes heren aniptlude myd my bringen". Außerdem wurden beide von einem mehr oder minder starken Gefolge begleitet.

Worin die Bedeutung des „Hagen" auf der „Kalten Birke", in welcher Form er sich auch dargestellt haben mag, im Jahre 1391 bestanden hat, wissen wir nicht. Jedenfalls kann dieser nicht mehr zum Schutz der umliegenden Bergwerksanlagen gedient haben, die vom „Alten Mann" bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts abgebaut und dann wegen der Pest und technischer Schwierigkeiten zum Erliegen gekommen sind.

In einer Grenzbeschreibung der dem Kloster Neuwerk gehörenden Waldungen vom Jahre 1475 1) führt die Grenze vom Innerstetal hinauf zum Rennstieg „. . . . und over de Koldenberch vort to den Hogensteinen wente over de Neyle". Von dort geht die Forstgrenze weiter über den Frederickshop und die Glashütte (beim heutigen Neuekrug) und auf den Steinbek (Steimkerbach). Den heute nicht mehr festzustellenden Frederickshop sucht Professor Denker 2) in der Gegend von Lageswarte und Lindtalskopf.

Die „Kalte Birke" wird im Jahre 1511 und dann wieder 1518 erwähnt, als der Vogt von Seesen 3 Groschen dem Manne von „Bornhüsin" (Bornhausen) zahlte, der „dath Wildbrath fand an der Kalden Birkin" 3)|. Auch wenn der Bergbaubetrieb des Alten Mannes in der Gegend um die „Kalte Birke" um 1350 sein Ende gefunden hat, so scheint er zumindest um 1520 wiederaufgenommen worden zu sein, wie aus einem Register aus dieser Zeit zu ersehen ist 4).

So ist es auch nicht verwunderlich, wenn im Jahre 1546 der bekannte Humanist Dr. Georgius Agricola (1494 -1555) im 5. Buch seines Werkes über die Mineralien „De natura fossilium" eine Ortlichkeit „Kalte Birke" irn Harz erwähnt 5). Uns interessiert besonders die hier gebrauchte lateinische Bezeichnung „frigida betula" für „Kalte Birke". Die deutsche Übersetzung „Kaltenbirk", die der 1968 verstorbene Übersetzer Dr. Fraustadt im Jahre 1958 benutzte, ist nicht glücklich

1) Goslarer Urkundenbuch, Band IV., Nr. 526, hier jedoch unter 1355 angeführt. Diese Jahreszahl ist nach Denker falsch
2) Denker, H.: Der Waldbesitz des Klosters Neuwerk im Oberharz nach den alten Urkunden. In: Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde, Jg. 51 (1918), S.22-27
3) St. A. Wob. 22 A Alt 1535-1544
4) Denker, a. a. O., S. 29
5) Horst, Ulrich: Ein alter Eisenerzfundpunkt unweit des Forstorts „Kalte Birke" im Nordharz, ein Beitrag zur AGRICOLA-Forschung." In: Harz-Zeitschrift, 31. Jg. (1979),
S. 119-126

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gewählt 1) und braucht uns auch nicht weiter zu beschäftigen, da der Übersetzer keine Beziehungen zum Harz hatte. Auch Agricola, der eigentlich Bauer hieß, hat den Harz nicht gekannt. So gibt er die Entfernung von der „Kalten Birke" nach Goslar mit 4 Meilen (6,0 km) an. Agricola nennt die „Kalte Birke" im Zusammenhang mit den dort vorkommenden Eisenerzen Haematites und Schistos. Diese von ihm beschriebenen Eisenerze sind ihm aller Wahrscheinlichkeit nach von anderen Sammlern angeliefert worden 2). Bemerkenswert ist, dass Agricola von dem Berge „frigida betula" schreibt, den sie, die Einheimischen, „jedoch mit ihrer Bezeichnung", also deutsch bzw. niederdeutsch, „ nennen; wir werden ihn Goslarer nennen." 3).

Die Bezeichnung „Goslarer" für die „Kalte Birke" hat sich jedoch nicht durchgesetzt und wurde von Agricola, der die Gegend nicht kannte, entweder nur recht oberflächlich gewählt oder sie sollte ein Kompliment für die Stadt Goslar sein, bei deren Rat er sich wohl ins rechte Licht setzen wollte. Wir erfahren hier wiederum vom Bergbau und den im Gebiet um die „Kalte Birke" gewonnenen Eisenerzen.

So schreibt Ulrich Horst 4): „Südlich der früheren Haltestelle Lindthal, wo die Innerste aus der südlichen in die nordöstliche Richtung abbiegt, scharen sich zwei nachgewiesene und mehrere in der Fortsetzung vermutete Erzgänge aus den karbonischen Grauwacken und Tonschiefern der Nordwestecke des Harzes in herzynischer Streichrichtung. Einige Aufschlüsse der nahezu senkrecht einfallenden Gänge sind am Steilhang beim rechten Innersteufer gut zu beobachten." Diese Erzgänge beschrieben u. a. schon Hassel und Berge 5), wobei sie sich auf Otto Siegmund Lasius und dessen Topopetrographische Karte des Harzgebietes von 1789 bezogen. Es heißt dort; „Das Gegental, unterhalb der kalten Birke, in der ehemaligen Langelsheimer Forst. Hier werden ebenfalls einige Eisensteingruben mit Vorteile betrieben."

Die Erzgänge setzen sich auch auf der Westseite des Gebirgskammes fort; so wurde noch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts am Bakenberg bei Neuekrug, also auch in der Nähe der „Kalten Birke" Eisenerzbergbau betrieben, wovon noch heute der Eisensteinsweg und ein offener, ausgemauerter Grubenschacht am ehemaligen Zechenhaus zeugt. Der Bergbau am Ostabfall dauerte bis in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.

Welchen Zwecken die Stelle, der Platz, die Siedlung oder der Hagen „Kalte Birke" ursprünglich gedient hat; ob der Wegesicherung, dem Bergbau, forstwirtschaftlichen oder jagdlichen Zwecken, wissen wir nicht. Nach dem Hauptteilungsrezess vom 14. 12. 1635 über den sogenannten Kommunionharz wurde die hohe und niedere Jagd im gesamten Kommunionharz dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel zugesprochen. Aus diesem Grunde

1) Horst, a. a. O., S. 119-120
2) Horst, a. a. O., S. 120-121
3) Horst, a. a. O., S. 121-122
4) Horst, a. a. O., S. 121-122
5) Hassel und Bege: Geographisch-statistische Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg, Braunschweig 1802, Band II., S. 397/98


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unterstand das Jägerhaus auffder kalten Birke" 1) zunächst dem Forstamt in Lutter am Barenberge, von 1676/78 an dem Förster in Hahausen. 1642/43 ist die Stelle in einer Karte des Amtes Seesen als „Koldebercke" enthalten.

Wie das Jägerhaus an der „Kalten Birke" aussah und wann es errichtet wurde, ist nicht bekannt, doch hatte der Holzhauer Andreas Hoffmeister aus Hahausen bei demselben bereits Ende des 17. Jahrhunderts 2) ein einfaches Wohnhaus erbaut. Nach dem Kirchenbuch der Pfarrgemeinde Lutter am Barenberge 3) ließ „Andreas Hoffmeister zur Kalten Birke" 1692, 1694 und 1696 einen Sohn in Hahausen taufen. Im Jahre 1702 ließ Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel anstelle des alten das neue Jagdhaus „zur Kalten Birke" erbauen, wohin als erster Bewohner der Jagdzeugmeister Heinrich Meyer aus Hahausen versetzt wurde. 1748 wurde der Jagdzeugmeister und Grenzschütze Bartlingk „zur Kalten Birke" auf dem Friedhof zu Hahausen beerdigt, während sich 1750 der Grenzschütze Gebhard Siemens „zur Kalten Birke" mit Dorothea Magdalena Futtermenger aus Seesen in Hahausen aufbieten ließ, worauf er in Seesen getraut wurde. „Monsieur Gebhard Siemens, Fürstlich Braunschweigischer Lüneburgischer Jäger zur Kalten Birke und Jungfrau Dorothea Magdalena Futtermenger aus Seesum wurden am 24. November in Seesum getraut." Im Jahre 1774 hatte die „Kalte Birke" 6 Bewohner, die dem Amt Lutter unterstanden 4).

Wenn auch m die Karte der Historischen Kommission für Niedersachsen 5) eine Försterei „Kalte Birke" eingetragen ist, so hat es dennoch an der hier behandelten Stelle nie eine Försterei gegeben. Wir können uns da eher auf die Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1784 verlassen, die ein Jaeger-Haus zur Kalten Bircke" verzeichnet 6)


Im Jahre 1788 erfolgte die Aufteilung des Kommunionharzes, wodurch die „Kalte Birke" unter churbraunschweigische, d. h. hannoversche Herrschaft gelangte. Nach der Grenzfestlegung im Jahre 1788 wurde die Grenze in den Harzforsten zwischen 1788 und 1790 versteint. Die damals gesetzten Grenzsteine am Rennstieg stehen größtenteils noch heute und sind immer wechselnd, an beiden Seiten des Weges gesetzt. Die Grenze zur „Kalten Birke" bildete das braunschweig - wolfenbüttelsche Amt Seesen. Die Grenzsteine wurden daher vom Beginn des Amtsbezirks bis zur Nordseite des Lindthalkopfes mit den Nummern l - 269 versehen, die jeweils auf der braunschweigischen Seite unter einem S für Seesen angebracht sind. Auf der hannoverschen Seite befindet sich eine Wolfsangel. An der „Kalten Birke" steht ein Stein mit der Nummer 195. Nach dem Brandkataster vom Jahre 1792 gehörten zu dem Haus auf der „Kalten Birke" ein Stall, eine Remise, Kuhstall und das Backhaus.

1) Groscurt, H.: Abriß der Langelsheimischen und Astfeldischen Forsten, 1678
2) St. A. Wob. 26 Alt 1998 (1693)
3) (Gagelmann, W.): Heirnatbuch der Pfarrgemeinde Lutter a. Bbge.,Luttera.B. 1926, S. 37
4) St.A.Wob.Ldsch.B1229
5) Veröffentlichung der Historischen Kommission für Niedersachsen 1746 - 1784 Blatt 4027,1961
6) Frdl. Mitteilung des Nieders. Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes in Braun-schweig-Riddagshausen vom 9. 9.1971

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1794 finden wir den Jagdzeugmeister Walter „zur Kalten Birke" unter den Abendmahlsgästen in Hahausen verzeichnet. Von seinen Schwestern wurde eine in Seesen, eine andere in Lautenthal getraut. Sein Kuhhirt wurde in Hahausen beerdigt. Bis um 1800 gehörte das Jagdhaus zur Pfarrgemeinde Lutter am Barenberge.

Die „Kalte Birke" wurde nicht nur im Jahre 1802 mehrmals von Hassel und Bege, sondern auch 1806 von Gottschalck " erwähnt: „Kaltebirke, ein Jagdhaus auf dem Teufelsberge im herzoglich Braunschweigischen Amte Staufenburg, worin ein herrschaftlicher Forstbedienter wohnt. Von Lautenthal ist es 5/4 St. entfernt.,,

Von 1807 - 1813, in der westfälischen Zeit, gehörte die „Kalte Birke" zum Kanton Zellerfeld im Distrikt Osterode und hatte 1812 19 Einwohner, 1814 -1825 gehörte sie zum Kreisgericht Harzburg. Es lässt sich daraus ersehen, dass die braunschweigischen Jagdrechte im Gebiet um die „Kalte Birke" bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestanden.

Im Jahre 1828 wurde das Jagdhaus auf der „Kalten Birke" auf Abbruch verkauft und von einem Seesener Einwohner „hinter der Kirche" wiederaufgebaut, wo es jetzt noch steht 2). Wenn in eine Forstkarte vom Jahre 1840 3) ein Gebäude mit der Bezeichnung „Kaltebirke" in den „Königl-Hannover: Forsten" eingezeichnet ist, so kann dies nicht stimmen.

In die Übersichtskarte vom Forstamt Seesen vom Jahre 1968 ist der Name „Kalte Birke" im Gebiet des F. A. B. Lautenthal zur Orientierung aufgenommen 4), desgleichen in die Wanderkarte des Harzes wie in die Topographische Karte 4027 Lutter am Barenberge von 1969.

Im Sommer 1969 wurde vom Harzklub Seesen an der hier behandelten Stelle eine Hütte erbaut, die Wanderern Schutz und Obdach bei schlechtem Wetter gewähren soll. Im Innern der 4,50 m langen und 2,10 m breiten Schutzhütte wurden einige Bänke aufgestellt.

Der Platz oder die Stelle „Kalte Birke" wird, außer von der genannten Hütte, nur noch durch Mauerreste, die Stelle des ehemaligen Brunnens und die mit einem Schild „Kalte Birke" versehene Esche verkörpert, die auf der Forstgrundkarte 1971 grün eingezeichnet ist.

Über die Entstehung und Bedeutung des seltsamen Namens „Kalte Birke" wurden wiederholt Überlegungen angestellt, desgleichen über die Bedeutung des Platzes als solchem. Auch in der Frage, ob an der „Kalten Birke" ein Weg, eine Straße oder nur ein „Stieg" vorbeigeführt hat, gehen die Meinungen auseinander.

1) Gottschalck, Friedrich: Taschenbuch für Reisende in den Harz, Magdeburg 1806, S. 260
2) Hartmann, W.: Häuserbuch der Stadt Seesen, Seesen 1971, S. 345 - 346
3) Frdl. Mitteilung des Nieders. Forsteinrichtungs- und Vermessungsamtes in Braun-schweig-Riddagshausen vom 9. 9.1971
4) Übersichtskarte vom Forstamt Seesen. Angefertigt im F. E. V. A. 1968

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Bleiben wir zunächst bei dem Namen. Dazu muss gesagt werden, dass die Überlegungen, die bisher zu dessen Deutung angestellt wurden, ohne konkretes Ergebnis blieben. Auch Dr. Werner Flechsig, der wohl beste Kenner der ostfälischen Mundart, kann sich die Bezeichnung „Kalte Birke" nicht befriedigend erklären 1). Nach Dr. Flechsig kommen Flurnamen, die mit dem Eigenschaftswort „kalt" zusammengesetzt sind, nur selten vor. Dagegen sei die Bezeichnung eines Baumes als „kalt" völlig rätselhaft. Von Bedeutung ist jedoch die Feststellung von Dr. Flechsig, dass man nicht daran zweifeln könne, dass die verhochdeutschte Form „kalt" dem spätmittelalterlichen Beleg von etwa 1350 genau entspräche.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass in den siebziger Jahren in der Lokalpresse der Harzstadt Seesen die verschiedenartigsten Deutungsversuche für den Namen „Kalte Birke" gemacht wurden. So kam man vom „Koldeberg" zum „Kalten Berg" und vom „Köhlerberg" zur „Koole Beeke" = „Kalter Bach". Auch eine „alte Birke" wollte man erkennen wie einen „Holden Berg" — „schwarzer Berg".

Zur Erklärung der Bezeichnung „Kalte Birke" sind nur Vermutungen möglich. Man muss davon ausgehen, dass dort einst eine gut sichtbare Birke gestanden hat. Diese wohl allein stehende Birke 2) wurde dann zum Merkmal eines kalten Gebietes.

Dass die Stelle oder der Platz „Kalte Birke" im Mittelalter eine besondere Bedeutung gehabt hat, ist aus dem vorliegenden Urkundenmaterial zu ersehen. Es wäre sonst wohl kaum zu erklären, warum sich ein Propst aus Braunschweig und der Bürgermeister von Goslar gerade an dieser Stelle verabredet hätten. Welcher Art jedoch die Bedeutung war und seit wann feste Gebäude vorhanden waren, muss noch untersucht werden.

Anzunehmen ist, dass die „Kalte Birke" im Mittelalter als Zentrale eines Bergbaugebietes anzusprechen ist, die jedoch auch Bedeutung als Weghaus hatte. Schon in sehr früher Zeit führte ein Weg, der sogenannte Goslarsche Stieg, über die „Kalte Birke", der von H. Spier3) als Fernverkehrsweg angesprochen wurde. Einen „Harzweg" von Seesen nach der „Kalten Birke" gab es 1463, an ihm stand ein Wegkreuz, das „cruce na der Kolden Berken"4).

Die Hypothese von Spier wird von Dr. Rippel 5)abgelehnt. Nach Dr. Rippel sind die von diesem untersuchten Hohlwege an der „Kalten Birke" in ihrer Ausprägung bestechend. Doch wurden verschiedene Beobachtungen gemacht, welche die Annahme einer durchgehenden gebräuchlichen Verbindung als sehr unglaubwürdig erscheinen lassen. Es wurde von Dr. Rippel festgestellt, dass sich die Hohlwege im Wald immer wieder verzweigen und ihre Zahl und Tiefe mit der Entfernung von Seesen merklich abnimmt. Oberhalb des Taternberges ist

1) Horst, a. a. O., S. 124
2) Wegen des Vorkommens der Birke im Harz, Insbesondere in höheren Lagen siehe Horst, a. a. O., S. 123 - 124
3) Spier, a. a. O., S. 32
4) St. A. Wob. 22 A Alt 1541B1.110 v.
5) Rippel, J. K.: Die Entwicklung der Kulturlandschaft am nordwestlichen Harzrand, Hannover 1958

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nur noch ein gering eingetiefter Hohlweg wenige Meter nordöstlich der Forstdiensthütte vorhanden. Er verliert sich zur „Kalten Birke", der Wasserscheide zwischen Schildau und Innerste, vollends.

Nach Dr. Rippel handelt es sich hier um ein Netz sich verästelnder Holzabfuhrwege, wie es in der Nähe einer Stadt (Seesen) mit einem hohen Brenn- und Bauholzbedarf nicht anders zu erwarten ist. Jenseits der Wasserscheide beginnt im Innerstetal ein eigenes Hohlwegsystem, welches aus verschiedenen Richtungen von der „Kalten Birke" und aus dem Gegental kommend, konzentrisch an der an der Innerstetalsperre festgestellten Schlackenstelle zusammenläuft. Diese Hohlwege bezeugen einen regen Holz- und Erztransport. Da auch das Mittelstück zwischen beiden Hohlwegsystemen unmittelbar auf der Wasserscheide an der „Kalten Birke" fehlt, kann hier lt. Dr. Rippel noch nicht von einem Fernverkehrssystem gesprochen werden.

Von diesen Überlegungen unberührt bleibt die Bedeutung der „Kalten Birke" für den Fußgängerverkehr, welcher erfahrungsgemäß den absolut kürzeren Weg einschlägt und in der Zeit fehlender Personenverkehrsrnittel eine hohe Bedeutung besessen hat. Auch der Flurname „Goslarer Stieg" dürfte seine Bedeutung als Fußweg oder Eselsstieg unterstreichen. Über diesen Eselsstieg trippelten jahrhundertelang Tragtierkolonnen mit Erzen des Rarnmelsberges zu den Hütten in der Nähe von Seesen. Ein „Fußsteig von Seesen über die Kalte Birken"ist in den Abriss von Groscurt vom Jahre 1678 eingetragen.

Chronik, Seite 188

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