DIE CHRONIK
von
HAHAUSEN

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Das heimische Brauchtum

Es ist heutzutage kaum noch etwas vorhanden vom Brauchtum unserer Vorfahren. Gerade deshalb scheint es angebracht, in einer Zeit, die kulturell von den Massenmedien, vom Rundfunk, vom Fernsehen und von Diskotheken beherrscht wird, das althergebrachte Brauchtum noch einmal in Erinnerung zu rufen.

Schon Neujahr wurde festlich begangen. Mangels Feuerwerkskörpern begrüßte man das Neue Jahr mit hausgemachtem Lärm und gelegentlich auch mit dem Abschießen von Feuerwaffen. Pistolen und Musketen waren schon seit dem Dreißigjährigen Kriege in Hahausen vorhanden und bei den mancherlei Einquartierungen und kriegerischen Ereignissen blieb die eine oder andere Waffe liegen. Auch die Wildschützen wußten sich stets mit Waffen zu versorgen. Es ergingen daher vom Amt Lutter ständig Verbote wegen des Schießens in der Neujahrsnacht, so besonders in den Jahren 1750 bis 1760 n. Natürlich wurde auch sonst noch in der Nacht von Sylvester zum Neuen Jahr allerhand Unfug getrieben, gut gegessen und getrunken, wobei Heringssalat und Prillecken nicht fehlen durften, Blei gegossen, und junge Leute sprangen manchmal vom Tisch herab ins Neue Jahr.

„Lichtmessen können die Herren bei Tage was essen" heißt es in einem auch in Hahausen bekannten Reim. Manchmal wurde jedoch hinzugefügt „. . . und die Armen, wenn sie was haben". Dieser Reim ist die einzige matte Erinnerung an das seit dem Jahre 541 zum Andenken an das Reinigungsopfer der Jungfrau Maria im Tempel jeweils am 2. Februar gefeierte Fest Mariä Reinigung oder Lichtmeß. Der Sinn desselben wurde in unserem Dorfe wohl bald nach Einführung der Reformation verdunkelt. Jedenfalls waren die zu Lichtmeß geübten Bräuche um das Jahr 1870 herum in Hahausen bereits in Vergessenheit geraten und wurden auch nicht mehr ausgeübt.

Das nächste Fest war die Fastnacht, in Hahausen, im Ambergau und im übrigen Harzvorland und darüber hinaus Fasselabend genannt. Knackstedt 2) erzählt 1899 die nette Geschichte von dem Schulknaben, der vom Superintendenten gefragt wurde, welches wohl das schönste Fest sei. Er antwortete nach seiner Weise ganz recht: Fasselabend. Es wurde ja auch recht ausgiebig gefeiert mit Essen und Trinken und Musik und Tanz, im benachbarten Bornhausen volle acht Tage lang. 

Fuje, fuie, Fasselabend
Fasselabend is huite
Geeft ösch wat in de Tuite
Äppel oder Beeren
Nötte mögt wei geeren

So schallte es noch bis in unsere Zeit am Fastnachtstage durch die Straßen und über die Plätze unseres Dorfes. Abenteuerlich maskierte und kostümierte Kinder zogen von Haus zu Haus und brachten ihren Heischereim an den Mann oder die Frau. Dabei wurde „gefuiet", das heißt, man strich oder schlug den so Angesprochenen mit einem Tannenzweig um die Beine.

1) St. A. Wob. 8 Alt Lu 65
2) Knackstedt,K.: Geschichte des Dorfes Bornhausen bei Seesen,Braunschweig l899,S.204


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Es gab dann auch immer wieder kleine Geschenke: Äpfel, Nüsse, Süßigkeiten oder auch Geld. Wenn die Hausfrau jedoch zu lange mit der Austeilung der Gaben auf sich warten ließ, konnte man hören:

Lat ösch nich tau lange stahn
Wei mottet noch en Hüs weier gähn.


Bekamen die Kinder aber keine Geschenke, so äußerten sie sich oft in recht drastischer Weise:

Trüll, trüll, trüll,
schitt deck wat up'n Süll.

Doch nicht nur die Kinder veranstalteten solche Heischegänge. Bis in die Jahre zwischen den beiden Kriegen zogen zum Fasselabend auch die jungen Burschen mit einem „Treckebalg" durch das Dorf, auch sie verkleidet und bemalt. Ein „Strohbär" wurde an Ketten von einem „Bärenführer" mitgeschleppt und ergötzte Männlein und Weibiein und natürlich ganz besonders die Kinder mit seinen Tanzstückchen. Ein anderer Bursche trug eine Gaffel, manchmal auch eine Forke, an der die eingesammelten Würste aufgehängt wurden. Diese „Tropps", meist noch mit einem Handwagen oder einem ausrangierten Kinderwagen versehen, in dem sie weitere Gaben wie Prillecken und „Nordhäuser" verstauten, liefen, singend und lärmend und mit Peitschen knallend, durch das Dorf, um sich nach getaner Arbeit in einer Scheune, seltener in einer Gastwirtschaft, an den gesammelten Genüssen gütlich zu tun. Man trank dann meist „BranneweinskoschaHg", Branntwein, in den Honigkuchen „geplockt" wurde. Die Lieder, die von den jungen Männern gesungen wurden, sind heute meist in Vergessenheit geraten. Am bekanntesten und in Variationen im ganzen Harzgebiet verbreitet, war der Vers:

Wenn Fasselabend is, wenn Fasselabend is,
dann schlachtet mein Vader en Bock,
dann danzet meine Mudder, dann danzet meine Mudder
in öhren roen Rock.

Fastnachtstreiben ist in ganz Ostfalen schon seit mehr als 500 Jahren bekannt, wie Berichte aus Hildesheim, Braunschweig und Goslar überliefert haben. Es kam dabei jedoch manchmal zu Ausschreitungen und deshalb sorgte die Obrigkeit durch Erlasse und Anordnungen dafür, dass diese nicht Überhand nahmen. „So tun unsere gnädigsten Fürsten und Herren hiermit ernstlich gebieten" heißt es in einem Erlass aus dem Jahre 1587, „dass keiner ohne Rock oder Mantel in bloßen Hosen oder Wams tanzen noch die Frauens-Personen verdreien oder werffen, sondern einjeder züchtig tanzen und sich der Leichtfertigkeit enthalten solle."

Ja, an allerlei Ausschreitungen, Foppereien und Prügeleien fehlte es an Fastnacht in der Tat nicht. So wurde in Bornhausen im Jahre 1855 von Seiten der Polizei jede Feier an den Wochentagen verboten 1).

Manchmal jedoch hatte auch die Obrigkeit ein Einsehen und daher ist die nachstehende Geschichte nicht ohne einen gewissen Reiz. So klagte die Gemeinde Hahausen im Jahre 1665 „gegen Hanß Hessen daselbst", dass er den Zaun vor 1) Knackstedt, a. a. O., S. 205

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seinem Garten an der Heerstraße „etliche fußbreit zu weit" herausgesetzt habe. Das Amt Lutter entschied jedoch, daß der Zaun stehen bleiben solle. Der Krämer und Gastwirt Hesse musste „dafür der gemeine Zum Bauer Köhr 1/2  faß bier geben" und zwar „für den großen bevorstehenden fastnachten" ". Zu den Fastnachtsbräuchen in Hahausen und der näheren Umgebung gehörte zunächst das „Fuien", das bereits erwähnte Einschlagen mit einem Fichten-, Wacholder- oder Hülsdornzweig als dem Sinnbild des immergrünen, unverwelk-lichen Lebens auf andere Menschen, denen man damit ebenfalls neue Lebenskraft einfößte.

Wie Werner Flechsig berichtet 2), wurde dieser Brauch, der 1901 bereits von Andree in seiner „Braunschweigischen Volkskunde" beschrieben wurde, im Jahre 1943 noch in 54 Orten des damaligen Kreises Gandersheim, in 32 Orten des damaligen Kreises Goslar und in 34 Orten des Kreises Wolfenbüttel ausgeübt, darüber hinaus im Braunschweiger, Hildesheimer und Calenberger Land bis nach Westfalen hinein.

Die Umzüge mit Stroh- (oder Erbs-) Bären sind 1943 bezeugt aus 20 Orten des Kreises Gandersheim, aus 16 Orten des Kreises Goslar und aus 22 Orten des Kreises Wolfenbüttel. Außerdem wurde dieser Brauch in weiten Teilen des Ostharzes ausgeübt.

Heute sind diese Bräuche nahezu restlos verschwunden. Auch das „Hänseln" der Enken (Bauernknechte), das von Flechsig 1943 noch festgestellt wurde, gibt es heute nicht mehr, schon weil es bei den Bauern keine Enken mehr gibt. Das nächste Fest im Jahreskreis ist Ostern. In der Osternacht gingen früher die jungen Mädchen, junge, ältere und auch alte Frauen zum „Schöttelborn" oder einem anderen fließenden Gewässer, um Osterwasser zu holen. Dabei durfte nicht gesprochen werden, da sonst das Osterwasser, das für mancherlei Heilzwecke verwendet wurde, besonders zur Heilung von kranken Augen, seine Wirksamkeit verlieren würde. Die jungen Burschen machten sich daher manchmal den Spaß, Frauen und Mädchen auf ihrem geheimnisvollen Wege zu ärgern und zu necken, um sie so zum Sprechen zu bewegen.

Für die Jugend des Dorfes war jedoch das Osterfeuer das allerwichtigste. Schon Wochen vor dem Fest hatte man Vorbereitungen zum Bau der Osterfeuer getroffen. Reisig, Wasen und trockenes Holz wurden herbeigeschleppt und manchmal stellte ein Bauer sogar sein Fuhrwerk zum Transport des gesammelten Brennmaterials zur Verfügung. In Hahausen gab es früher stets mehrere Osterfeuer. Die Jungen von der Neustadt, aus dem Unter- und Oberdorf, von der Hütte und aus Neuekrug wollten sich beim Bau derselben gegenseitig übertreffen. In den Tagen vor Ostern wurden Wachen ausgestellt, damit eine „gegnerische" Mannschaft den so mühsam aufgestapelten Holzstoß nicht bereits vor dem Fest anzündete.

Von Vätern, Großvätern, größeren Geschwistern oder auch vom Stellmacher ließen sich Jungen und Mädel schon Wochen vor dem Fest eine riesengroße

1) St. A. Wob. 21 Alt 596
2) Flechsig, Werner: Karneval oder Fassekbend in Ostfalen. In: „Braunschweigische Heimat", Braunschweig 1953, Heft 4, S. 119 - 122


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Fichtenfackel anfertigen, die der kleine Mann oder das kleine Mädchen oft kaum tragen konnte. Die Fackel wurde fachmännisch gespalten und in die Spalten wurden Holzspäne gesteckt. Dann ließ man sie Tage vor dem Fest bei Bäcker Mull oder Bäcker Weißensee im Backofen trocknen. Danach wurde sie noch mit Teer bestrichen.

Ja, und dann kam Ostern. Schon tags zuvor hatten die Kinder Nester gemacht, in die der Osterhase Eier legen sollte. Dann ging das Suchen los und die Freude war groß. Jetzt konnte man kaum noch die Zeit erwarten bis zum Osterabend.

In den Straßen und auf den Plätzen des Dorfes lag die kühle Dämmerung des Vorfrühlingsabends. Aus Eis- und Schneeresten und winterkalter Erde dampfte Nebel. Der Ostermond guckte über die Berge. Da kribbelte und krabbelte es durch die Straßen, kleinere Kinder an der Hand des Vaters oder der Mutter, die größeren mit stolz geschulterter Fackel und die ganz großen Jungen machten sich mit wichtiger Miene am Holzstoß zu schaffen. Braune und gelbe Rauchschwaden quollen aus trockener Hecke. Sie ballten sich zu drohenden Wolken und stiegen wie eine endlose Säule in den Nachthimmel. Prasselnd fraßen sich die Flammen durch Harz und Fichtennadeln. Mit Feuer und Rauch wurde der Winter vertrieben.

Um das Feuer her schwenkten die Kinder ihre Fackeln und zogen damit rauschende Feuerkreise um ihre Köpfe. Auf den umliegenden Wiesen und Feldern tanzten hundert Irrlichter. Der schwarzblaue Nachthimmel bildete den Hintergrund dieses Bildes der Frühlingsfreude und von Berg zu Berg, von Anhöhe zu Anhöhe,leuchteten Osterfeuer, Freudenfeuer, mit denen die Menschen den Sieg des Frühlings über den Winter feierten.

Schon fast ein Jahrtausend lang, bevor das Christentum in das Harzvorland einzog, brannten hier Osterfeuer, dem Frühling zu Ehren und als Freudenfeuer nach endloser Winternacht. Die Wissenschaftler streiten sich bis zum heutigen Tage über die Frage, ob diese Feuer von unseren heidnischen Vorfahren zu Ehren einer Frühlingsgöttin Ostara abgebrannt wurden oder ob sie einem unpersönlichen Frühlingskult galten. Die letztere Richtung betrachtet das althochdeutsche ostarun als Mehrzahl zu ostara, bei einer Grundbedeutung „Aufgangszeit" weiterentwickelt zu dem Begriff „Auferstehungszeit". Schon die älteste christliche Kirche hat - nach anfanglicher Gegnerschaft -dieses Frühlingsfeuer, um es sich dienstbar zu machen, mit dem Passahfest zusammengelegt.

Unsere germanischen Altvorderen kannten jedoch neben dem Osterfeuer noch den besonders wirkungsvollen Brauch des bergab Rollenlassens von Feuerrädern, in Hahausen von den Osterköpfen herab. Dieser Brauch wurde vor Jahren noch im Halberstädtischen und wird jetzt noch im Westfälischen ausgeübt.

Erstmalig schriftlich erwähnt wurde das Osterfeuer vom Begründer der römischen Missionskirche in Deutschland, Bonifacius, dem geborenen Angelsachsen Winfried. Als er nämlich nach Deutschland kam, fand er schon um 750 im Osterkultus der christlichen Kirche das „ignis paschalis" vor, das Osterfeuer.

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Demnach hatte die tolerante iroschottische Mission, die selbst der Sonnenverehrung zuneigte, das germanische Osterfeuer geduldet oder an ihm teilgenommen. In einem Brief erbat Bonifacius vom Papst Verhaltungsmaßregeln. Aus der Antwort ist zu entnehmen, dass das Osterfeuer in Rom selbst unbekannt war.

Die bisher älteste Nachricht vom Osterfeuer stammt schon aus der Harzlandschaft selbst. Der Helmarshäuser Benediktiner Conrad Fontanus schrieb vor 1300, dass das Volk auf dem Rethberg bei Gandersheim am Ostertage mit Sonnenuntergang schon seit Menschengedenken das Osterfeuer gehalten habe, welches die Alten „Bockshorn" geheißen. Man vergleiche hierzu die Redensart „Ins Bockshorn jagen". Nach Kühn und Schwarz „Norddeutsche Sagen" wurde an manchen Stellen im Harz vor dem Anzünden des Feuers ein Jagen abgehalten, indem man mit Knütteln und Steine werfend durch den Wald raste. Hier erkennt man die Absicht der Teilnehmer, zur Freude der Priester eine brutale Trennung zwischen sich und den Volksgenossen zu betonen, die noch auf den Heidenstiegen herbeieilten und nun nur noch von fern mit bitteren Gefühlen diesem christlich bestimmten Osterfeuer zusahen. In manchen Gegenden verbrannte man bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts rothaarige Eichhörnchen mit dem Osterfeuer.

Im Harzvorland weisen zahlreiche Namen von Bergen auf die Stätten hin, an denen früher die Osterfeuer abgebrannt wurden; so neben unseren Osterköpfen die Osterberge bei Gandersheim und die Bodensteiner Klippen, die einst Ostersteine hießen, um nur einige zu nennen.

Der Brauch des Osterfeuers hat sich bis jetzt in Hahausen und auch im gesamten Harzvorland erhalten und wurde auch von den Bewohnern der Oberharzer Bergstädte, die ja bekanntlich im 16. Jahrhundert überwiegend aus dem Erzgebirge in den Harz eingewandert sind, übernommen.

An Walpurgis (30. April) glaubte man, dass in dieser Nacht die Hexen auf dem Besen zum Brocken ritten, um dort mit dem Teufel und seinen Dämonen ein Fest zu feiern. Dieser Glaube, der in der Zeit der Christianisierung unserer Gegend und der damit beginnenden Verfolgung des Heidentums entstanden war, erhielt während der Hexenverfolgungen1), die besonders im 16. und 17. Jahrhundert wüteten, neue Nahrung. Um das Vieh vor den Hexen zu schützen, malte man mit Kreide an die Stalltüre drei Kreuze. Dieser Glaube war schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Hahausen völlig erloschen.

Das nächste Fest im Jahresablauf, das in Hahausen besonders gefeiert wurde, war Pfingsten. Den Mädchen, die sie mochten, brachten die jungen Burschen in der Nacht zum Pfingstsonntag junge Birken vor die Tür oder unter das Schlafzimmerfenster, den Mädchen aber, die sie geärgert hatten oder die sie ärgern wollten, wurde „Wittscheblaue" auf den Trittstein gekippt. Dabei wurde allerlei Unfug getrieben; Hof- und Gartentüren ausgehängt, Ackergerät versteckt oder gar ein mit Mist beladener Wagen auf das Haus- oder Scheunendach

1) Kalthammer, Wilhelm: Hexenglaube und Hexenprozesse im Harzgebiet. In: „Unser Harz", Clausthal-Zellerfeld, Heft 4 und 5 1981, S. 68 - 71 und 84 - 87

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transportiert, was tatsächlich in Hahausen passiert ist und doch wohl eine ordentliche Leistung darstellte.

Auch das Erntedankfest wurde gehörig gefeiert mit Kirchgang, Essen und Trinken und Tanz im Dorfkrug.

Im evangelischen Norden Deutschlands gilt der 10. November, der Geburtstag Luthers, als Martini oder Martinstag. Der eigentliche Tag des heiligen Martin, der ursprünglich ein Ritter, dann Bischof von Tours in Frankreich war, ist aber der 11. November, an dem Luther ja auch getauft und nach diesem Tage Martin genannt wurde.

Die Wurzeln des Martinstages reichen bis in die Heidenzeit zurück. Um diese Zeit haben unsere Vorfahren den Göttern ihre herbstlichen Opfer dargebracht. Im Volksmunde gilt er als Grenze des Winters, „denn St. Martin kommt nach alten Sitten meist auf einem Schimmel angeritten". Eine dem Grundherrn zu entrichtende Abgabe zu diesem Tage war die sogenannte Martinsgans, die schon von den Mönchen des Mittelalters besungen worden ist. Die Gans soll das heilige Tier Wodans gewesen sein, während die Legende berichtet, Martin habe sich bei seiner Wahl zum Bischof in einem Gänsestall versteckt, sei aber durch das Schnattern der Gänse entdeckt worden. Die richtige Erklärung der Martinsgans dürfte darin zu sehen sein, daß die Gans in dieser Zeit ausgemästet ist. Immerhin wurde der „Gänsezehnten" in Hahausen erst irn Jahre 1841 abgelöst. Zum Gedenken an den Wohltäter Martin scheint sein Tag von jeher wohltätigen Zwecken gewidmet gewesen zu sein. Zum „Martentag" zogen die Kinder in den Abendstunden wiederum von Haus zu Haus und heischten milde Gaben:

Marten is en güen Mann,
dei ösch wohl wat geben kann,
Appel oder Beeren . . .

In den letzten Jahrzehnten hat sich in der Zeit um den Martinstag die Sitte von Laternenumzügen der Kinder entwickelt.

Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne . . .

Martini, plattdeutsch Marteini, hatte einst in der Landwirtschaft eine nicht geringe Bedeutung. An diesem Tage waren Pachten und Abgaben fällig und die Dienstboten wechselten jeweils an diesem Tage ihre Stellung.

Ob das Wintersonnenfest der Vorläufer unseres christlichen Weihnachtsfestes war, mag auf sich beruhen. Immerhin sind die weltlichen Bräuche des Weihnachtsfestes noch gar nicht alt, zumal früher die kirchliche Feier durchaus im Vordergrund stand. Erst in den letzten Jahrhunderten haben sich der Lichterbaum und die Sitte des Schenkens, die ehemals mehr eine Eigenart des Neujahrstages war, in deutschen Landen eingebürgert. Christlich ist der aus dem Nikolaus entstandene Weihnachtsmann, der in seiner Vermummung als alter Mann mit langem Bart die Bescherung am Heiligen Abend vornimmt, die Kinder ein wenig bange macht, die guten lobt und die bösen tadelt und sie wohl auch die Rute fühlen läßt. Um den Gestrengen milde zu stimmen, falteten die Kleinen zitternd die Hände und beteten:

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4

Lieber guter Weihnachtsmann Sieh mich nicht so böse an Stecke deine Rute ein, ich will auch immer recht artig sein.

Weihnachten war und ist das Fest der Kinder, die sich schon lange vorher darauf freuen und deren Spannung noch durch das Heimlichtun der Eltern gesteigert wird. Heimlich kaufen und verwahren die Eltern die Geschenke für die Kinder. Die Jungen erhielten früher meist ein Schaukelpferd, Bleisoldaten oder Bauklötze, die Mädchen Puppen und die größeren schon etwas für die Aussteuer.

Wenn nach einem kurzen und trüben Tage die Winternacht ihre geheimnisvollen Schleier über das Dorf breitet, dann rufen die Glocken am Heiligabend die Bewohner in die Christkirche. Vor dem Altar steht der mit Lametta und Kerzen geschmückte Tannenbaum, ein Stück Natur aus den heimischen Wäldern, das schon durch seinen harzigen Duft bezaubert. Die alten Weihnachtslieder erklingen, von der Gemeinde oder von hellen Kinderstimmen gesungen, die alte und doch ewig junge Geschichte vom Kinde in der Krippe im Stall zu Bethlehem läßt die Herzen höher schlagen und die Augen der Kinder hängen an dem strahlenden Tannenbaum. Nach dem Gottesdienst eilt alles so schnell wie möglich nach Hause. Vor Einführung des elektrischen Lichtes wurden dann mitgebrachte Stallaternen angezündet oder auch Großväter, die nicht mit zur Kirche gegangen waren, holten Kinder und Enkel mit der Laterne in der Hand vor der Kirchentreppe ab.

Kam man dann nach Hause, so war der Weihnachtsmann oft schon dagewesen und hatte seine Gaben hinterlassen, die unter dem strahlenden Lichterbaum lagen. Wie glänzten da die Augen und wie plapperten die kleinen Mäulchen! Wie freuten sich die Kinder, über das einfachste Spielzeug vielleicht noch mehr wie über praktische Geschenke.

War die Besichtigung der Gaben dann vorbei, dann wurden die alten sinnigen Lieder von der stillen und heiligen Nacht und andere im Kreise der Familie und vielleicht guter Freunde und Bekannter angestimmt. Zu Kaffee oder Wein aß man auch von dem Weihnachtskuchen, der, wie zu allen Festen, zu Haus zubereitet und auf langen Kuchenblechen beim Bäcker gebacken und auf besonderen Tragebrettern (Kaukenbräern) nach Hause gebracht wurde. Mitternacht war nicht mehr fern und man ging zur Ruhe. Die Kinder träumten in der Nacht vom Weihnachtsmann und seinen schönen Gaben und vom Christkind in der Krippe.

Die Zeit um Weihnachten ist die dunkelste des ganzen Jahres, doch die schlafende Natur bereitet still und geheimnisvoll neues Leben vor. Darum war die Zeit zwischen den Jahren, „die Zwölf Nächte", schon unseren germanischen Vorfahren besonders heilig. Sie spielte auch eine besondere Rolle in der Zeitrechnung. Die Germanen hatten Mondjahre von 12 Monden zu je 29 bis 30 Tagen. Die zum Ausgleich mit dem Sonnenjahr fehlenden 12 Tage wurden am Jahresschluss eingeschoben. So entstand die Zeit der Zwölf Nächte, auch „Zwischen den Jahren" genannt, als wenn sich die Zeit ein wenig Ruhe gönnte. Da hielt

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auch der Mensch Einkehr bei sich selbst. Deshalb hörte früher alle Arbeit auf. Es durfte sich kein Rad, weder am Spinnrade noch am Wagen drehen. Das Waschen hatte zu unterbleiben, sonst starb dann meist jemand aus der Verwandtschaft. Wer Wäsche zum Trocknen aufhängte, lag im nächsten Jahre auf dem Friedhof, Knoten mussten gelöst werden, Spinnräder und Webstühle mussten gleichfalls ruhen und der Rocken leer gesponnen sein, damit er von der Göttin Freia nicht zerzaust wurde. Hülsenfrüchte kochte kein Mensch, weil er befürchtete, Schwären zu bekommen.

In diesen Tagen, wenn der Sturm über Feld und Wald brauste, zogen nämlich nach dem Glauben der Urväter Götter und die Geister der abgestorbenen Seelen, auch der Unholde, durch die Luft: Wodan und Freia, das menschliche Schaffen segnend oder strafend. Ihnen folgte unter schaurigem Geheul die Meute der „wilden Jäger", nämlich die Geister der Abgeschiedenen. Durch nichts durften die Götter aufgehalten werden, man versuchte daher durch allerlei Mittel, sie günstig zu stimmen.

In Hahausen war dies Gedankengut am Anfang unseres Jahrhunderts noch lebendig, heute ist es nahezu ganz tot.

Sei schließlich noch der letzte Tag des Jahres, Sylvester, erwähnt. Am Abend ging der Nachtwächter, so Fritz Hoffmeister mit einem Hörn und Otto Schmidt bis in den 2. Weltkrieg mit einer Trillerpfeife, von Haus zu Haus, sagte seinen Spruch auf, mit dem er dem Haus und seinen Bewohnern alles Gute für das Neue Jahr wünschte und bekam ein Geldgeschenk.

Chronik, Seite 196

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