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Zur Vorgeschichte der
Landschaft Hahausen
"Sehr bemerkenswerte Funde wurden
unter Bezug auf die vorgeschichtliche Tierwelt schon im August 1909 am
Rande einer Moränenzunge etwa einen Kilometer südwestlich des Bahnhofs
Neuekrug-Hahausen am Kiliansloch an der Bundesstraße 248 gemacht; Knochen von Auerochs, Rhinozeros, Elch Höhlenbär und
Mammut und auch Feuersteine bzw. Abschläge, die mit jenem Fund in Verbindung stehen könnten". So las man es 1974 im "Beobachter"(1).
Pastor Gagelmann schrieb jedoch 1926 (2): "Man fand hier (am
Kiliansloch) eine Menge von Kuhhörnern und nahm an, dass Tilly dort sein Lager aufgeschlagen habe".
Im Steinbruch im Steimkerbachtal wie auch im Kupferschiefer am Kiliansloch
wurden wiederholt Fossilien aufgefunden, auch an den Osterköpfen wurden solche Funde gemacht, über die an anderer Stelle berichtet wird.
Ob die Ebene von Lutter und damit auch die engere Umgebung von Hahausen
schon in der Altsteinzeit (etwa 200000 v. Chr.) von Menschen bewohnt
war, konnte die Forschung bisher nicht beweisen, zumal Bodenfunde aus
dieser Zeit in unserer Gegend, wie 1951 bei Salzgitter, noch nicht gemacht
wurden.
Immerhin scheint die Gegend um Hahausen in der letzten Phase der
Altsteinzeit oder frühen Mittelsteinzeit seit etwa 8000 v. Chr. bereits von Mensche aufgesucht worden zu sein, wie der Fund
eines "gepickten" runden Steines in der Feldmark von Hahausen beweist.
Dieser Stein, der früher in der Schule aufbewahrt wurde und sich jetzt im Heimatmuseum in Lutter befindet, wurde als Keule benutzt.
Das Gerät ist doppelkonisch durchlocht, und zwar gepickt, nicht durchbohrt. Gepickte Keulen kommen im Mesolithikum vor.
Auch die aus etwa der gleichen Zeit stammenden Geräte von Habekosts Acker südlich des Eichsberghofes im benachbarten Ödishausen beweisen,
dass sich während dieses Zeitraumes bereits Menschen in unserem Gebiet aufgehalten haben. In das Ende der Altsteinzeit, aber auch in die dann folgende Mittelsteinzeit
(8. bis teilweise 3. Jahrtausend v. Chr.) weisen auch die zahlreichen Funde von Feuersteingeräten und -abschlägen auf den Harzrandhöhen bei Langelsheim hin (3).
Es ist anzunehmen, dass es sich hier nicht um Verluste schweifender Jäger, die weit aus dem Harzvorland kamen, sondern
Hinterlassenschaften sesshafter Ansiedler handelt. In der mittleren und jüngeren Steinzeit war nicht nur das Harzrandgebiet, sondern sogar der Oberharz
von Menschen bewohnt, wie Funde beweisen.
(1) Hopfgarten, Dr. Gerhard: Mensch und Tier in grauer Vorzeit. In:
"Beobachter" Seesen, 16.02.1974
(2) (Gagelmann, Wilhelm): Heimatbuch der Pfarrgemeinde Lutter am
Barenberg, Lutter am Bbge., 1926, S. 33
(3) Niquet, Franz: Grundzüge der Vor- und Frühgeschichte des Kreises Gandersheim. In: "Der
Landkreis Gandersheim" 1958, Band I).
Chronik, Seite 25
Die Gegend um Hahausen wird bereits in der jüngeren Steinzeit von dem
so genannten "Alten Weg" berührt, der, vom Dolgen bei Langelsheim
kommend , am Spekelholz und Radebruch vorbei am Pfingstanger entlang führte, sich dort gabelte und über den Bulwergalgen in Richtung Seesen am Hillenkopf vor bei in Richtung Rhüden führte.
Der überwiegende Teil der Funde in unserer Umgebung wird dem sesshaften Volk der Bandkeramiker (sie pflegten ihre Tongeschirre mit Schnur- und Bandmustern zu verzieren) zugeschrieben, das
etwa um 4000 v. Chr. aus dem donauländischen Kulturkreis eingewandert war und das nördliche
Harzvorland in überraschend dicht gelagerten Siedlungen bewohnte. Eine bandkeramische Siedlung wurde jedoch in unserer unmittelbaren Heimat bisher nicht aufgefunden.
Die Bandkeramiker waren friedliche Bauernvölker mit beschaulicher Lebensweise. Zu ihrem Viehbestand zählten Rind, Ziege, Schaf und Schwein. Sie bauten u. a. Erbse, Linse, Möhre, Lein und Mohn, dazu nutzbare Kräuter an. Der Feldbau kannte Gerste, Weizen und Hirse.
Im Ablauf des 3. Jahrtausends v. Chr. ändert sich das heimische Siedlungsbild grundlegend 1). Die Bandkeramik wird stärker von nordischen Zuwanderern überlagert und scheint bald völlig ausgelöscht.
Während die frühen Bauern die Hangmulden bevorzugten, finden wir nun auf Kuppen
und Anhöhen die Grabanlagen ganz anders gearteter Kulturen.
Das 3. vorchristliche Jahrtausend bietet in unserem Raum das Bild von
friedlich nebeneinander existierenden Einzelkulturen. In kleinen Zirkeln
und ohne größere politische Störungen verläuft das Dasein. Es ist die hohe Zeit kultureller Entfaltung und technischer
Erfindungen. Das ändert sich am Ausgang der Jungsteinzeit um 2000 v. Chr., als auf Herrschaft und Gewinn bedachte Zuzügler in diese genügsame Welt einer erdverhafteten Kultur einbrechen. Es sind die nach ihren Gefäßen so benannte "Becherleute", die ihre Toten in Einzelgräbern unter großen Erdhügeln begruben. Ihr ausgesprochenes Waffenarsenal, Streitäxte, Dolche und Lanzenspitzen, tritt nun auch in unserer Gegend vermehrt im Fundgut auf.
In dieser Zeit, die jüngere Steinzeit, etwa um oder bald nach 2000 v. Chr., ist unter der Bezeichnung "Der Griffdolch von Hahausen" (2) in die Literatur eingegangene Feuersteindolch zu
datierten, der im Jahre 1935 von Wilfried Faber (gefallen 1943 im Osten) gefunden wurde. Es handelt sich hier um einen 15 cm langen
Vierkant-Griffdolch mit starkem ovalen Blatt. Die Waffe ist über den ganzen Körper sorgfältig bearbeitet, großflächiger gemuschelt am Griff und in feinster Technik gedengelt am Blatt, das zwar kräftig bleibt, aber doch mit
scharfschneidigen Steingraten versehen ist. Die Schmalaufsicht auf diese Gratkanten vermittelt erst den
rechten Eindruck von der Gefährlichkeit solch früher Waffe.
(1) Thielemann, Otto: Urgeschichte am Nordharz, Goslar 1977, S. 12
(2) Thielemann, Otto: Der Feuersteindolch von Hahausen und das Problem um
die "Alte Straße am Westharz. In: "Braunschweigische Heimat", 1955, Heft 2; derselbe: Feuersteinwaffen-Funde im nördlichen Harzvorland. In: "Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte", Heft 27/1958, S. 17 u. 31
Chronik, Seite 26
Der grünlich falbe Flint unseres Geräts hat - besonders auf dem Blatt - erdfarbene rosthaltige Flecken angesetzt. Diese Rostartigen Verfärbungen
in den Retuschendellen sind wohl auf Eisengehalt im Wasser der Hummecke
zurückzuführen. Der Dolch wurde nämlich bei Anlage einer Wiesendränage am Uferrand dieses Baches steckend aufgefunden, wo er vom
Wasser bespült wurde und infolgedessen völlig sauber geborgen werden konnte. Von einem gleichartigen Fund im Stader Gebiet wissen wir, dass solche Waffe in einer Lederscheide am Leibgurt getragen wurde. Die Fundstelle befindet sich an der Hummecke etwa 800 m südöstlich der Pöbbeckenmühle und 300 m südöstlich von Punkt 187,3 und zwar in der Nähe einer Quelle zwischen Spekelholz und Radebruch. Der Dolch wird im Museum in Goslar aufbewahrt.
Karl-Heinz Illers aus Hahausen fand ein Steinbeil vor den Osterköpfen, das sich noch in Besitz befindet. Auch das Heimatmuseum in Lutter verwahrt vier Steinbeile, die am Rodfeld, am Tüttel usw. gefundne wurden. Die auch als Streitaxtkultur bezeichnete Bewegung ebnet die Vielfalt der Gesellschaft in Sprache und Kultur ein und bereitet die Einordnung in größere Verbände vor. Allgemein wird
diese politische Formierung der damaligen Lebensverhältnisse als Indogermanisierung verstanden (1).
Auf die Steinzeit folgt die Bronzezeit (1800 - 800 v. Ch.) Doch brachte
die Bronzezeit keine plötzliche Umstellung im Werkzeugbestand des täglichen Bedarfs. Bronzegeräte waren Kulturbesitz der Begüterten, sie blieben ein Gradmesser sozialer Geltung.
Aus der Bronzezeit sind zahlreiche Hügelgräberfelder überliefert, darunter auch die sieben Hügelgräber am Hillenkopf bei
Hahausen. Die Grabfelder datieren in die so genannte Hügelgräberzeit der älteren bis jüngeren Bronzezeit (1500 - 800 v. Chr.) Alle Grabfelder zeigen bemerkenswerte Gemeinsamkeiten: Etwa gleiche Höhenlage, Bindung an alte Wege, Lage an den heutigen Gemarkungsgrenzen und Vergesellschaftung mit einstigen Kultstätten wie Rechts- und Spielstätten und Osterfeuerplätzen. In der Nähe des Hillenkopfes wurde früher stets ein Osterfeuer abgebrannt. Die Zeit der Hügelgräber ist der H6ouml;hepunkt in der Vorgeschichte unseres unmittelbaren Raumes.
Über das Volkstum der bronzezeitlichen Bewohner in der nördlichen Grenzzone der Hügelgräberkultur kann man nichts Bestimmtes sagen, da nicht einmal anzunehmen ist, dass die süddeutsche Hügelgräberkultur Ausdruck
eines einheitlichen Volkstums oder gar urkeltisch ist. Die kleinen Bevölkerungsgruppen,
besonders im Bergland, standen wahrscheinlich nur in losem Zusammenhang.
Im Forstort Sangenberg wurde in den 1890er Jahren von einem Waldarbeiter
beim Stucken roden ein so genanntes Randleistenbeil der frühen Bronzezeit gefunden. Es ist 15,5 cm lang und 7 cm breit. Der Fundort liegt an der Nordwestgrenze des mitteldeutschen Raumes, so dass dies Beil nur als Grenzlandfund der Leubinger Kultur, wie man die Frühbronzezeitkultur Mitteldeutschlands nennt, Bedeutung hat. Das Fundstück befindet sich im Oberharzer Museum in Clausthal-Zellerfeld.
(1) Sieh Niquet, a. a. O., S. 16
Chronik, Seite 27
Auf die Bronzezeit folgt die Eisenzeit (800 v. bis 500 n. Chr.), die für unser Gebiet durch die Einwanderung unserer eigentlichen Vorfahren, der Cherusker, gekennzeichnet ist. Doch darüber soll im nächsten Kapitel berichtet werden.
Chronik, Seite 28
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