|  | Die Schlacht bei
      Lutter am Barenberge<zurück   
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  über diese Schlacht, die am 27. August des Jahres 1626 stattfand, ist bereits
dermaßen viel geschrieben worden (1), dass es überflüssig erscheinen
muss, wenn dieselbe hier noch einmal abgehandelt wird. Aber für kein Dorf im
Lutterer Becken hat dies Ereignis eine solche Bedeutung gehabt wie gerade für
Hahausen und daher darf in der Hahäuser Ortschronik eine Schilderung des
Schlachtverlaufs wohl nicht fehlen.
 
   Die Schlacht bei Lutter am Barenberge war für unsere engere Heimat und
      darüber hinaus für ganz Niedersachsen von schicksalhafter Bedeutung und
      wie der ganze Dreißigjährige Krieg für uns Deutsche von besonderer
      Tragik. Hier kämpften Deutsche gegen Deutsche um der, nach der jeweiligen
      Meinung, einzig richtigen Religion willen. Dass viele andere Gründe
      mitspielten, ist bekannt.
 
  Die Schlacht am 27. August des Jahres 1626 wird allgemein als ein Kampf
      zwischen Dänen oder Protestanten und Ligisten Kaiserlichern oder
      Katholiken  angesehen. Das ist aber eine grobe Vereinfachung. König
      Christian IV. von Dänemark war als Herzog von Holstein deutscher
      Reichsfürst und als solcher zum Kreisobersten des Niedersächsischen
      Kreises gewählt. Die Armee, die er in die Schlacht führte, bestand 
      überwiegend aus Deutschen, Nur die königliche Leibschwadron 
      setzte sich aus Dänen - 300 Edelleuten - zusammen, außerdem 
      nahm ein schwedisches Regiment aus Schonen an der Schlacht teil, da 
      Südschweden damals noch zu Dänemark gehörte. Der 
      Feldherr der katholischen Liga, Johann Tserclaes, seit 1623 Graf von 
      Tilly, war ein Wallone aus dem heutigen Belgien, das damals noch zum 
      Reich gehörte. Er führte stets einen deutschen und einen 
      französischen Sekretär mit ins Feld. Seine Armee bestand in 
      ihrer Masse gleichfalls aus Deutschen, zu denen bei den Kaiserlichen 
      Wallensteins einige berittene leichtbewaffnete kroatische Einheiten 
      kamen, der so genannte "Ausschuss". In Tillys Armee befanden sich 
      außerdem eine Anzahl Wallonen. Über beide Armeen verstreut 
      waren Abendteuerer aus fast allen europäischen Ländern, 
      Landsknechtnaturen, die je nach Kriegsglück ihre Dienste wechselten.
 
  Doch nicht nur die eigentlichen Teilnehmer an dem blutigen Fechten waren
      die Betroffenen, sondern ebenso die Bewohner der Dörfer der Ebene von Lutter, 
      und hier ganz besonders unsere Vorfahren, die Einwohner von Hahausen.
      Diesen Menschen, die schon jahrelang von der Kriegsfurie heimgesucht
      worden waren, blieb nichts anderes übrig, als Haus und Hof
      zu verlassen und sich im Schutz der Wälder zu verbergen. Hab und 
      Gut musste der plündernden und marodierenden Soldateska überlassen
      werden, denn es galt, erst einmal das nackte Leben zu retten.
 
 (1) Schilderung der Schlacht in: Merian, Matthäus: Theatrum Europaeum,
      1662; Handschrift von 1710, St. A. Wob. 8 Alt Lu 88; Lichtenstein: Die
      Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1922; Klay, Kurt: Ein pommerscher
      Reiteroberst kämpfte bei Lutter, 1965; Förtsch, Friedrich: Die 
      Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1976; Kalthammer, Wilhelm: Vor 350 Jahren: 
      Die Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1976
 
    Chronik, Seite 59
 
   Doch wie kam es zur Schlacht?
 Die Schlacht bei Lutter am Barenberge fällt in die so genannte zweite Periode 
      des großen Glaubenkrieges, die man den "Niederdeutsch - dänischen Krieg" 
      genannt hat. Auf der einen Seite standen sich gegenüber der römisch-deutsche 
      Kaiser Ferdinand II. und die Liga der katholischen Fürsten, auf der andern 
      Seite, dem protestantischen Lager, neben anderen insbesondere die Fürsten des 
      Niedersächsischen Kreises.
 
   Im Sommer 1626 hielt Tilly das obere und mittlere Leinegebiet mit Ausnahme
      von Göttingen, das er belagerte, und Northeim. König Christian IV. stand 
      mit seinem Heer an der mittleren Oker, gestützt auf der Festung Wolfenbüttel.
 
  Aus dieser Lage heraus fasste Christian Anfang August 1626 den Entschluss 
      Tilly anzugreifen und aus Niedersachsen zu vertreiben. Erstes Ziel war, Göttingen 
      zu ersetzen; er wusste allerdings nicht, dass Tilly die Stadt bereits am 11. 
      August erobert hatte. Auch konnte Christian schließ nicht verhindern, dass dem 
      ihm bis dahin zahlenmäßig unterlegenen ligistischen Heer Tillys 
      kaiserliche Wallensteinische Truppen zugeführt wurden.
 
   Nach vielen Märschen - am 04. August zog das "dänische" Heer von Lutter 
      über die Heerstraße durch Hahausen nach Seesen - und Gegenmärschen im 
      Laufe des Monats August, die bis in die Gegend von Duderstadt führten und 
      schließlich in eine Flucht des "dänischen" Heeres, wie wir es alter 
      Gewohnheit nach nennen wollen, ausarteten, erreichte König Christian am 26. 
      August 1626 Seesen, wo er eine Stellung auf dem Hasseberg bezog. In der Nacht setzte 
      er sich ab in Richtung Neuekrug, das damals noch nicht bestand. Der enge Pass 
      südlich von Neuekrug, Kiliansloch, im Volksmund "Tilliansloch" genannt, diente 
      ihm zum Durchschleusen seines Heeres, während beim Vorwerk Klingenhagen 
      Scharmützel stattfanden.
 
   Schwerfällig erreichte das dänische Heer das Dorf Hahausen. Die Bewohner 
      waren in die umliegenden Wälder geflohen. Obwohl Protestanten und Untertanen 
      des Herzogs von Braunschweig, der als Glied des Niedersächsischen Kreises 
      Verbündeter des Dänenkönigs war, fürchteten sie die Soldateska 
      beider Kriegs führenden Parteien. Es gab weder Freund noch Feind. Wer den 
      durchziehenden Truppen in die Hände fiel, war unmenschlichen Drangsalierungen 
      ausgesetzt, die nicht selten mit dem Tode endeten. Alles, was nicht niet- und 
      nagelfest war, wurde geraubt. Um dem Feind die Verfolgung zu erschweren, hatte 
      König Christian das Anzünden der Dörfer befohlen. hahausen ging 
      in Flammen auf. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts hat man Grundmauern der 
      damals zerstörten Häuser gefunden.
 
   Doch dürften sich die Soldaten König Christians nicht lange in 
      Hahausen aufgehalten haben. Da sie seit Tagen keine ordentliche Verpflegung bekommen
      hatten, rissen sie das unreife Obst von den Bäumen und aßen es, was 
      sicher durchschlagende Wirkung gehabt hat.
 
   Jenseits Hahausen dehnt sich als ein Viereck von etwa 8 km Seitenlänge, nach 
      Norden schmaler werdend, eine leicht gewellte Ebene, die rings von waldigen 
      Höhenzügen umschlossen wird. Drei Bäche, die Neile, die Hummecke 
      und der Steimker Bach, kommen von den Harzbergen herunter, schneiden in
 
   Chronik, Seite 60
 
   das Hügelland ein und streben geschlängelten Laufes zwischen saftigen Wiesen 
      gen Norden. Dörfer, einzelne Höfe und Mühlen liegen zerstreut in den 
      Mulden und an den Randhöhen. In diesem Gelände ist am blutigen Sonntag des 
      27. August 1626 die Entscheidungsschlacht zwischen Graf Tilly und König Christian 
      IV. von Dänemark geschlagen worden.
 
   Wenn wir heute am Ortsrand von Hahausen stehen und das Gelände betrachten, auf dem
      die Schlacht stattgefunden hat, so muss unser geistiges Auge manche Korrekturen 
      vornehmen. Zahlreiche Straßen durchschneiden jetzt das Gelände, und der Wald, 
      der im Jahre 1626 sowohl vom Harz wie auch von den Osterköpfen her bis weit in die 
      Ebene reichte, ist heute zurückgedrängt. Der Raum, auf dem die Schlacht 
      stattfand, war sehr klein. Man kann daher die Verwunderung des Generalstäbler
      s 
      Förtsch  (1)
       nur teilen, wenn man bedenkt, dass hier insgesamt 40.000 Mann zum Einsatz kamen. 
       Unter dem Oberbefehl von Tilly stand das vereinigte ligistisch-kaiserliche 
      Heer in einer Stärke von 15.000 Man Infanterie, 5.000 Reitern und 18 Geschützen, 
      während König Christians protestantisches Heer aus 12.000 Mann Infanterie, 
      6.000 Mann Kavallerie und 20 Geschützen bestand.
 
   Es mochte etwa 6 Uhr sein, als die Spitze des königlichen Heeres aus
      dem Nordostausgange von Hahausen heraustrat. König Christian hatte
      inzwischen erkannt, dass er sich nun nicht mehr vom Gegner lösen konnte.
      Er ließ den Tross und die Masse der Artillerie im Marsch auf Lutter
      und nahm auf der Höhe nord- ostwärts Hahausen jenseits der Neilewiesen 
      seine Schlachtordnung ein. Tilly sah sich dadurch gezwungen, auch seinerseits das ganze Heer
      aufmarschieren zu lassen zu lassen, was Christian ja auch immer wieder
      erreichen wollte, um Zeit zu gewinnen.
 
   Dem protestantischen Heere folgten die Kaiserlichen und Ligisten auf
      dem  Fuße. Jedoch war die Tillysche Avantgarde mit drei Geschützen
      erst am Morgen des 27. August bis Hahausen vorgedrungen. Als Tilly mit dem
      Hauptheere in Hahausen ankam, musste er zunächst Halt machen, denn die
      dänische Nachhut hatte die Höhen hinter dem Dorfe, die die Heerstraße in 
      Richtung Nauen beherrschten, besetzt. Er formierte daraufhin die
      Avantgarde aus seinem Kerntruppen, den Infanterie-Regimentern Herliberg
      und Reinach und den Reiterregimenten Schönberg und Kronberg
      
       (2)
      und schob bis an den Mittelbach und Neile vor. Infanterie und Artillerie
      folgten.
 
   Ehe nun Tilly mit seinem Aufmarsch ostwärts Hahausen fertig war, räumte der 
      Dänenkönig, unbelästigt vom Gegner, seine Stellung, und ging auf die 
      Hügel nord-
      
      ostwärts der Hummecke zurück, wo er eine neue Schlachtordnung 
      zwischen der Pöbbeckenmühle und den waldigen und sumpfigen Ausläufer der 
      Harzwälder einnahm. Tilly rückte zunächst in die vom königlichen 
      Heere verlassene Stellung zwischen Neile und Hummecke ein. Er war zum Kampfe 
      entschlossen, hielt es aber für nötig, seinen durch die Märsche und 
      Kämpfe der letzten Tage erschöpften Truppen etwas Ruhe zu gönnen. Etwa 
      in der Mitte
 
   (1) Förtsch, Friedrich, a. a. O.
 (2) Die Kronberger, die "Unüberwindlichen" genannt, ritten schwarze Pferde, waren
      schwarz gekleidet und trugen am schwarzen Helm einen weißen Totenkopf. Es war ein 
      bayrisches Regiment, sein Kommandeur hieß Kronberg
 
 Chronik, Seite 61
 
   seiner Front ließ er sechs Geschütze auffahren, gut im Buschwerk getarnt, die 
      sogleich das Feuer eröffnete3n, während der "Ausschuss" der Wallensteinischen 
      Kavallerie, also die Kroaten, sich mit den an die Hummecke- Übergänge
      vorgeschobene 
      Sicherheitsabteilungen des Dänenkönigs herum schoss.
 
   Höher und höher stieg die Sonne am wolkenlosen Himmel. Endlich hielt Tilly 
      den Zeitpunkt zum Angriff für gekommen. Eine "Musterung" wurde gehalten, bei der 
      der Feldherr die Front seiner Truppen abritt, die Parole "Seligste Jungfrau Maria" 
      zum Kampf anfeuerte und verbot, den Feinden Pardon zu gewähren. Nach einer 
      kurzen Pause gab Tilly den Befehl zum Angriff.
 
   Es mag etwa 14 Uhr gewesen sein, als 5 Kompanien Kronberger Reiter, das
      Kavallerie-Regiment Schönberg und die Infanterie-Regimenter Herliberg
      und Reinach vom rechten Flügel über die Hummeckebrücke vorgingen. 
      Unangefochten kamen sie über den Bach. Als sic sich aber jenseits desselben zum 
      Angriff formierten, traf sie mit voller Wucht der Gegenstoß des linken Flügels 
      des dänischen Heeres. Es gelang diesen Truppen, drei Regimenter Tillys in erheblicher 
      Verwirrung zu stürzen, nur ein Regiment hielt diesem gut angesetzten Gegenangriff 
      stand. Es war das zuerst über den Bach gegangene. Offenbar stand es bereits in einer 
      festen Schlachtordnung. Tilly sandte seinen in Bedrängnis geratenen Truppen sofort 
      das Infanterie-Regiment Schmid zur Verstärkung, das die in Unordnung geratene 
      Regimenter mit sich fortriss und den Gegenangriff wieder in Gang brachte. Die
      königlichen Truppen wurden zurück geworfen und gänzlich zersprengt.
 
   In derselben Zeit, als der linke Flügel des dänischen Heeres zum Gegenstoße 
      gegen die über die Hummeckebrücke vorgedrungenen vier tillyschen Regimenter 
      antrat, ging auch die Infanterie der Mitte - drei Regimenter - unter dem Schutze der 
      Artillerie un mit dem Schlachtruf "Für Religion und Vaterland" über die 
      sumpfigen Hummeckewiesen zum Sturm auf die ligistische Stellung vor. Die Infanterie erhielt 
      jedoch gegnerisches Artilleriefeuer, als sie den Bachgrund überschritt. Trotzdem 
      gelang es den ungestüm vordringenden drei Regimentern Lohausen, Lindsdaw und Morgens
      Kaas, Tillys Musketiere und Pikeniere zurückzuwerfen und bis zu den Geschützen 
      vorzudringen. Doch plötzlich eröffnete die zwischen Buschwerk und Hecken gegen 
      Sicht gut gedeckte Batterie das Feuer. Die Königlichen stürzten, und als sie sich 
      dann noch  dem Feuer der die Batterie sichernden Musketiere des würzburgischen 
      Leibregiments ausgesetzt sahen, war ihre Angriffskraft gebrochen. Tilly gelang es, sein 
      Fußvolk zu sammeln und zum Gegenstoße vorzuführen. Es zeigte sich jetzt, 
      dass die jungen, noch wenig disziplinierten Soldaten des Dänenkönigs nicht genug 
      Kraft besaßen, um solch kritische Augenblicke zu überwinden. Der Gegner, durch 
      die rückgängige Bewegung der königlichen Infanterie ermutigt, folgte. Diese 
      geriet mehr und mehr in Verwirrung. In der allgemeinen Aufregung beschossen sich zwei 
      protestantische Regimenter gegenseitig. Die Infanterie wurde größtenteils 
      zersprengt.
 
   Während dieser Vorgänge in unmittelbarer Nähe von Hahausen hatten beide
      Heerführer noch weitergehende strategische Maßnahmen befohlen. So hatte Tilly 
      eine Umfassung des dänischen Heeres geplant und zu diesem Zweck Kroaten und leichte 
      Infanterie in den Gehölzen nord- ostwärts Hahausen postiert, während
 
   Chronik, Seite 62
 
   er drei schwere Kavallerieregimenter unter Dufour auf dem „harten
      Wege" in Richtung Langelsheim in Marsch gesetzt hatte mit dem
      Auftrag, die Flanke der Dänen anzugreifen. Christian IV. hatte, wohl
      durch Kundschafter, von diesem Vorhaben erfahren und zur Abwehr der seiner
      linken Flanke drohenden Gefahr den Rheingrafen Ludwig Otto mit den
      Kavallerieregimentern Rheingraf und Courville und dem schwedischen
      Regiment zu Fuß den kaiserlichen Einheiten entgegengeschickt.
 
   Auf dem rechten Flügel der dänischen Front waren die beiden
      Kavallerieregimenter Hessen und Solms nach überqueren der Brücke an der
      Pöbbeckenmühle vorgegangen, zum Angriff links eingeschwenkt und gerade
      im Begriffe, gegen die gegnerische Infanterie anzureiten, als sie von den
      kaiserlichen Reiterregimentern Erwitte und Bock, die, hinter einer Höhe
      versteckt, gehalten hatten, in der Flanke angegriffen wurden. Trotz
      tapferer Gegenwehr wurden sie zurückgeworfen und in die sumpfige
      Niederung gedrängt, wo die Pferde so tief einsanken, dass an Widerstand
      nicht mehr zu denken war. Wer sich nicht retten konnte, wurde
      niedergehauen. Auch die beiden Regimentskommandeure, Landgraf Philipp von
      Hessen und Graf von Solms, fanden den Tod. Die Kämpfe auf dem
      Pöbbeckenberge, von wo aus der König den Angriff angesetzt hatte, gingen
      zwar noch weiter, aber die Schlacht war für ihn nicht mehr zu retten. Des
      Königs Stellvertreter, General Fuchs, empfing hier, tapfer kämpfend, die
      Todeswunde, der er bald darauf in Nauen erlag. Die Kämpfe verlagerten
      sich jetzt in die Gegend nördlich von Nauen, wo das Reservecorps des
      dänischen Heeres die Fliehenden aufnahm und zum Stehen brachte. Während
      sich dieses Auffangen und Einordnen in dem Raum zwischen Nauen und der
      wüsten Dorfstelle Rauten abspielte, traten die Verbände des Rheingrafen
      in den Kampf gegen den über den „harten Weg" anrückenden Feind
      ein. Als dann jedoch Dufour mit seinen 3 Kavallerieregimentern die linke
      Flanke der Dänen attackierte und von Nauen her die Regimenter Cerboni und
      Colloredo in den Kampf eingriffen, gab es für die dänische Armee kein
      Halten mehr. Zwar gelang es dem König noch einmal, einige Truppenteile zu
      sammeln, darunter sein Leibregiment zu Fuß und seine Leibschwadron, aber
      alle Mühe war vergebens. Das dänische Heer löste sich auf und stürzte
      sich in eine panikartige Flucht. Der König selbst hielt bis zuletzt aus
      und entging nur mit knapper Not der Gefangennahme. Auf Umwegen gelangte er
      durch den Wald zwischen überall umherschwärmenden tillyschen Reitern
      hindurch auf die nach Wolfenbüttel führende Straße. Mit geringem
      Gefolge und zu Tode erschöpft erreichte er die Okerfestung.
 
   Was noch übrig blieb, 30 Fähnlein Infanterie, etwa 2.000 Mann, suchte
      Zuflucht in dem festen Amtshause von Lutter, musste sich aber noch vor dem
      Abend dem Gegner auf Gnade oder Ungnade ergeben. Nur ein Teil der
      Kavallerie rettete sich nach Wolfenbüttel, die gesamte Artillerie fiel
      Tilly in die Hände. Als die Flucht des dänischen Heeres einsetzte,
      versuchte jeder, sich mit Hilfe der Pferde und Wagen so schnell wie
      möglich aus dem Bereich der feindlichen Reiter in Sicherheit zu bringen.
      Rücksichtslos stießen die Soldaten die Frauen und Kinder von den Wagen,
      verdrängte der Stärkere den Schwächeren.
 
   Chronik, Seite 63
 
   Die Beute der Sieger an Gefangenen und Waffen
      war groß. Die Besatzung von Lutter übergab bei der Gefangennahme 29
      Feldzeichen der Infanterie. 32 weitere und 6 Kornette (Standarten) waren
      in der Schlacht und bei der Verfolgung erobert, unter ihnen des Königs
      Leibfahne. Dreißig Reiterstandarten wurden nach Wolfenbüttel gerettet.
 
   Während nach General Förtsch die Verluste des dänischen Heeres etwa
      10.000 Mann betragen haben sollen, geben zeitgenössische Berichte dessen
      Verluste mit 4.000 Mann und die des ligistisch-kaiserlichen Heeres mit nur
      200 Mann an. 1710" (1)
      heißt es, dass „etliche 1.000 auf der Wahlstadt
      geblieben". Die meisten Toten des dänischen Heeres dürften jedoch
      nicht in der Schlacht gefallen sein, sondern wurden danach und auf der
      Flucht niedergemacht. Insbesondere die Kroaten begannen eine blutige Jagd
      auf verwundete und geflüchtete Protestanten. Tagelang wurde der Wald
      durchsucht, man holte sie aus jedem Verstecke und schoß sie von den
      Bäumen herunter. Doch auch die jahrelang bedrängten und ausgeplünderten
      Bewohner der umliegenden Dörfer schlugen tot, was ihnen in die Hände
      fiel, wenn auch die Zahl von 2.000 „Dänen", die allein im Dolger
      Wald von Bauern erschlagen worden sein sollen, wohl ins Reich der Fabel
      gehört. Tillys Soldaten ging es nicht besser, wenn sie sich zu weit von
      ihrer Truppe entfernten, und so hat der Spitzname „Tilljackers"
      für die Einwohner von Wolfshagen wohl doch etwas für sich. Angeblich
      schlugen die Wolfshäger nach der Schlacht versprengte Angehörige von
      Tillys Heer tot und zogen sich deren Jacken an.
 
  Am 28. August blieb Tilly in Lutter und ließ die Toten begraben. Seine
      Verwundeten schickte er nach Goslar, wo viele noch an ihren Wunden
      starben. Die gefangenen Offiziere vom Hauptmann abwärts sandte er nach
      Alfeld, die höheren nach Bockenem in Gewahrsam, während die gefangenen
      Soldaten größtenteils auf die kaiserlich-ligistischen Regimenter
      verteilt wurden. Ein Massengrab der in der Schlacht gefallenen Soldaten hat
      man bisher nicht gefunden. Doch General Fuchs, der König von Dänemark
      nannte ihn in einem Brief „general fux", hatte, als man ihn schwer
      verwundet nach Nauen brachte, wo er starb, den Wunsch geäußert, an
      der Stelle, wo er die Todeswunde erhalten hatte, begraben zu  werden.
      Das Grab soll bis um 1750 durch eine Familie Achilles in Nauen instand
      gehalten worden sein. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Straße von
      Neuekrug nach Lutter ausgebaut wurde, stieß man auf ein Grab, das ein
      auffallend großes Skelett und ein kostbares Schwert enthielt.
 
  Tilly hatte mit dem Sieg bei Lutter seine 18. Schlacht gewonnen. Er wurde
      mit Ehrungen überhäuft. Papst Urban VIII. erteilte ihm seinen
      apostolischen Segen und ermunterte ihn: „Auf denn, geliebter Sohn, zur
      Vertilgung der Ketzer, folge Gott als Führer und deiner Tapferkeit!"
 
   Besonders schwer hatten Dörfer und Städte der näheren Umgebung nach der
      Schlacht unter Einquartierungen und Drangsalierungen zu leiden; immerhin
      hielt sich Tilly noch bis 1632 in Niedersachsen auf. Über das schwere
      Schicksal von Hahausen wurde bereits im vorigen Kapitel berichtet.
 
  (1)
      St. A. Wob. 8 Alt Lu 88, S. 18
 
   Chronik, Seite 64
 
   Mit den Jahren vernarbten die Wunden des Krieges, doch hat
      sich die Erinnerung an die Schlacht in der Überlieferung der Hahäuser
      Einwohner bis auf den heutigen Tag erhalten. Zahlreiche Waffen- und
      Ausrüstungsfunde wurden im Laufe der Jahrhunderte gemacht, die sich
      heute, wenn sie nicht wieder vergessen, verlegt oder verloren wurden, im
      Landesmuseum in Braunschweig oder in den Heimatmuseen der Umgebung
      befinden. Zuweilen noch wirft die Pflugschar ein Rost zerfressenes
      Hufeisen, einen Sporn oder einen kaum noch erkenntlichen Degengriff an die
      Oberfläche der Erde und erinnert die Bewohner von Hahausen an das große
      kriegerische Ereignis, das ihre Vorfahren vor vielen hundert Jahren,
      erfüllt von Schrecken und Furcht, miterlebt haben. Zeugen der Schlacht
      sind auf dem Schlachtfeld kaum noch vorhanden. Selbst die 50 Pfund schwere
      Kanonenkugel, die jahrzehntelang auf einem Sockel im Garten der
      Pöbbeckenmühle aufbewahrt wurde, ist gestohlen worden.
 
   An der Stelle, wo
      General Fuchs verwundet und begraben wurde, ließ der Rentner H. Winnecke
      aus Nauen im Jahre 1908 einen Gedenkstein errichten. Dieser Stein ist,
      nachdem er wegen des Ausbaus der B 248 im Herbst 1969 versetzt worden war,
      gemeinsam mit einem weiteren Gedenkstein, der 1970 von Nauener Mitgliedern
      des Harzklub-Zweigvereins Lutter gestiftet war, Anfang des Jahres 1979
      wieder an seinen alten Platz zurückgekehrt. Im Jahre 1850 berichtete
      Lichtenstein (1) noch von Schanzen aus der Schlacht:
      „Sie laufen von der alten Heerstraße in einer Länge von 130 Schritten
      parallel dem Walde zu. Zuerst sieht man von Hahausen aus (gegen Nauen zu)
      eine Vertiefung, 8 Schritte breit, vom Volke Vorgraben genannt, dann einen
      jetzt noch 4-6 Fuß hohen Erdaufwurf, der oben 10 - 12 Fuß breit gewesen
      zu sein scheint, dann eine etwa 8 Fuß breite Vertiefung, darauf eine
      Erhöhung, die oben nicht ganz so breit wie die erstere gewesen sein wird,
      und zuletzt wieder eine 6-8 Fuß breite Vertiefung. Das Ganze kann nur zur
      Deckung der Batterie gedient haben, die Stücke selbst können nicht darin
      aufgestellt gewesen sein."
 
   Steinacker
      (2)
      schrieb 1910: „Die Überlieferung ist noch
      an einige, zum Teil neuerdings (also 1910) eingeebnete, südlich der
      Pöbbeckenmühle von Westen her dem Bach (Neue) zuziehende Gräben
      geknüpft, dass dies „Schützengräben" seien."
 
   (1) Lichtenstein, a. a. O.
 (2) Steinacker: Die Kunstdenkmäler des Kreises Gandersheim, 1910, S. 369
 
   Chronik, Seite 65
 
  In Hahausen erzählt man sich folgende Sage:
 
   In der Nacht vom 27. auf den 28. August, dem Jahrestag der Schlacht, ist
      es auf dem Schlachtfeld nicht geheuer. Es klopft dann jemand an die
      Türen. Wer hinaussieht, sieht ein kopfloses Pferd mit einem ebenfalls
      kopflosen Reiter. In dieser Nacht fangen in den Dörfern der Ebene von
      Lutter die Glocken von selbst an zu läuten. Dann stehen am Soltborn die
      Gefallenen aus ihren Gräbern wieder auf. Fünfzig bis sechzig Reiter
      erheben sich und reiten auf den Pöbbeckenberg. Aus dem Radebruche kommen
      ebenso viele weißgekleidete Reiter heran und kämpfen mit diesen auf dem
      Pöbbeckenberge. Dabei erhebt sich in den Lüften ein großes Geschrei und
      Geheul. Wer um diese Zeit dort vorbeikommt und sich aufhält, um
      zuzusehen, fällt und bricht ein Bein. Wenn es in Hahausen und Lutter in
      der Kirche eins schlägt, ist der Spuk vorbei und alles wieder still.
 
   Chronik, Seite 66
 
 
 
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